Lachgas ist ein Treibhausgas, das Ozonschicht und Erdklima beeinflusst. Bislang haben Experten angenommen, dass dieses Gas mit der chemischen Formel N2O für Distickstoffmonoxid vorwiegend durch Mikroben im Boden gebildet wird. Nun hat ein interdisziplinäres Forscherteam der Technischen Hochschule Bingen und der Universität Heidelberg Pflanzen als Quelle genauer untersucht. Das Ergebnis der Studie: Die Flora der Erde setzt Lachgas in klimarelevanten Mengen frei und trägt so zum Treibhauseffekt bei. Im Gegensatz zu der vom Menschen verursachten Klimaerwärmung ist dieser Prozess jedoch Teil eines natürlichen Effekts.
Bislang wurden Pflanzen als relevante Produzenten von Lachgas in den globalen Klimabudgets, wie sie zum Beispiel vom UN-Klimabeirat IPCC veröffentlicht werden, nicht berücksichtigt. Um zu berechnen, wie stark der Mensch den Treibhauseffekt beeinflusst, ist es jedoch entscheidend, alle Quellen der Treibhausgase zu kennen und zu beziffern – auch die natürlichen. Die aktuelle Studie zeigt, dass alle untersuchten Pflanzen Lachgas emittieren und in der Gesamtsumme maßgeblich zum Ausstoß von N2O beitragen. Basierend auf diesen Untersuchungen könnten sie schätzungsweise fünf bis zehn Prozent des globalen Lachgas-Gehalts der Atmosphäre ausmachen, wie die Wissenschaftler betonen. „Um die Rolle der Pflanzen am Kreislauf von Lachgas wirklich zu verstehen und genauer zu beziffern, sind weitere Untersuchungen an repräsentativen Pflanzenarten und vor allem an Bäumen notwendig“, betont Prof. Dr. Katharina Lenhart.
„Diese Studie war nur ein erster Schritt, um die Lachgasfreisetzung durch Pflanzen zu quantifizieren und die biochemischen Prozesse zu verstehen,“ so die Wissenschaftlerin, die als Professorin für Botanik, Limnologie und Ökotoxikologie an der Technischen Hochschule Bingen forscht und auch an der Universität Heidelberg tätig ist.
Das Verhältnis von N2O und CO2 korreliert
Um den N2O-Ausstoß zu ermitteln, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 34 verschiedene Pflanzen unter kontrollierten, geschlossenen Laborbedingungen untersucht. Dazu gehörten zum Beispiel Tabak, Mais oder Lavendel. Um eine Verunreinigung mit bakteriell erzeugtem Lachgas zu vermeiden, wurden die Experimente zum Teil unter sterilen Bedingungen durchgeführt. Alle Untersuchungen fanden außerdem im Dunkeln statt, um die Lachgasfreisetzung auf die Atmung der Pflanzen beziehen zu können. Wenn diese atmen, setzen sie wie beim Menschen Kohlendioxid (CO2) frei. Der umgekehrte, allgemein besser bekannte Prozess ist die Aufnahme von CO2 – diese geschieht jedoch nur im Hellen bei der Photosynthese. „Das Verhältnis von N2O und CO2 korreliert, und so konnten wir die bereits gut erforschte Kohlendioxid-Freisetzung der Pflanzen nutzen, um die Menge des abgegebenen Lachgases zu berechnen“, erläutert Prof. Lenhart.
Freisetzungsraten von Lachgas durch Pflanzen
Zusätzlich wurden sogenannte Isotopenanalysen durchgeführt, denn alle lachgasbildenden Prozesse setzen ein Lachgasmolekül mit einem typischen Isotopenfingerabdruck frei, so auch die Pflanzen. „Durch Messung der Isotopenzusammensetzung konnten wir eindeutig zeigen, dass der Großteil des freigesetzten Lachgases nicht durch Bakterien im Boden entsteht und sich von allen bisher bekannten Quellen unterscheidet“, erläutert Prof. Dr. Frank Keppler, der am Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg die Forschungsgruppe Biogeochemie leitet. In einem nächsten Schritt werden die Forscher ihre im Labor erzielten Ergebnisse in Feldstudien überprüfen und weitere Planzenspezies in die Untersuchungen einbeziehen. Darüber hinaus wollen sie herausfinden, welcher biochemische Prozess zur Bildung von Lachgas in Pflanzen beiträgt und welche Rolle die Biosphäre bei der Lachgasbildung in der Erdgeschichte gespielt hat. Von besonderem Interesse ist auch die Frage, wie steigende globale Temperaturen die Freisetzungsraten von Lachgas durch Pflanzen beeinflussen. In die interdisziplinären Forschungsarbeiten unter der Leitung von Prof. Lenhart und Prof. Keppler war auch Dr. Steffen Greiner vom Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg eingebunden. Weitere Kooperationspartner waren Wissenschaftler des Instituts für Pflanzenökologie der Universität Gießen, des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und des Thünen-Instituts für Agrarklimaschutz in Braunschweig. Die Forschungsergebnisse wurde im Fachjournal „New Phytologist“ veröffentlicht.