Konzeptkunst und Umweltforschung

Swaantje Güntzel Tobias Hübel

„Können Sie nicht mal was Schönes machen?“ Diese Frage wurde der Hamburger Konzeptkünstlerin Swaantje Güntzel schon oft gestellt. Dass sie diesen Wunsch während ihres einjährigen Fellowships am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) erfüllen wird, mag sie nicht versprechen. Zwar trägt ihr Projekt die Frage als Titel, aber es ist eben das: eine offene Frage. Sicher ist hingegen: Sie wird sich einer Weltregion künstlerisch annähern, die für die nachhaltige Entwicklung besonders wichtig ist.

„Die Arktis dient häufig als vereinfachte Kulisse für Kreuzfahrtschiffe, Abenteuer, die Heimat des Eisbären und schneebedeckte Landschaften. Ich möchte Bilder produzieren, die eine neue visuelle Erzählung jenseits der derzeit üblichen Darstellung bieten“, sagt Swaantje Güntzel. Informationen und Inspiration wird sie sich von RIFS-Forschenden, aber auch während einer Reise in die Arktis holen. Da sie aus Klimaschutzgründen nicht fliegt, liegt das Ziel dort, „wohin der letzte Bus uns führt“ – vielleicht in Nordnorwegen.

Die Nähe zur Wissenschaft gesucht

Seit 2009 hat Güntzel immer wieder die Nähe zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gesucht. So verwirklichte sie 2021 ein Kunstprojekt mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz aus Oldenburg. Dabei erstellte sie eine Reihe von Kunstdrucken, die Plastikmüll abstrakt darstellen. Als Grundlage dienten ihr Bilder, die die Forschenden an verschiedenen Küsten mit Drohnen aufgenommen und mit Künstlicher Intelligenz analysiert hatten.

Mit der Biologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven kooperiert Güntzel seit einigen Jahren zum Thema Plastikmüll. Diese Zusammenarbeit wird sie auch während ihres Fellowships fortsetzen. Der Müll, der längst die letzten Winkel der Weltmeere erreicht hat, steht im Zentrum zahlreicher Werke der Künstlerin, zum Beispiel eines Porträts ihrer Assistentin, die Plastikteile „erbricht“, welche im Magen eines Albatros-Kükens auf dem Kure-Atoll (Nordwestliche Hawaii-Inseln) gefunden wurden.

Umweltzerstörung vor Panoramakulisse

Manches in Güntzels Werk kann als schockierend, aufrüttelnd, aktivistisch empfunden werden. Sie selbst sieht sich allerdings nicht als Aktivistin. „Ich will nicht meinen Zeigefinger erheben, sondern die Menschen auf einer sinnlichen Ebene ansprechen. Jeder Betrachter, jede Betrachterin geht auf eine ganz andere Weise an dasselbe Werk ran. Insofern habe ich kein didaktisches Ziel, sondern lasse es offen, was meine Arbeiten mit den Leuten machen.“ Gerade Bilder von der Arktis seien oft vieldeutig, denn Umweltzerstörung finde hier vor einer atemberaubenden Panoramakulisse statt.

Güntzel ist nicht auf ein bestimmtes Medium festgelegt. Im Vordergrund steht immer eine Idee, dann folgt die Suche nach der passenden Umsetzung. Performance, Skulptur, Installation, Fotografie, Sound, Video gehören alle zu ihren Gestaltungsmitteln. Die Klammer ihrer Arbeiten ist das Verhältnis der Menschen zur Natur, das sie auch in ihrem RIFS-Projekt erkunden will.

„Der Ansatz ist, künstlerisch zu erforschen, von welchen Arktis-Bildern wir geprägt sind und welche Bilder wir mitprägen, indem wir sie reproduzieren. Ich glaube, dass es ein ganz wichtiges, aktuelles Thema ist, wie wir die Krise durch unser eigenes Verhalten mit bedingen, und da spielen Bilder eine ganz große Rolle.“ Wenn wir andere, vielfältigere Bilder im Kopf haben, fallen uns auch Verhaltensänderungen leichter. Insofern, sagt Güntzel, kann Kunst durchaus eine transformative Kraft entfalten.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit werden im kommenden Jahr bei Ausstellungen in Hamburg zu sehen sein, auch für die Region Berlin/Potsdam gibt es erste Planungen. Zudem wird Swaantje Güntzel während ihres RIFS-Fellowships mehrere Gespräche und Vorträge anbieten.