Viele Kulturlandschaften in den Tropen sind ein Mosaik verschiedener Landnutzungen. Wie die Menschen Gebrauch von den unterschiedlichen Landnutzungsarten mit ihrer jeweiligen Vegetation machen, war bisher unklar. Dies haben Forschende, darunter viele madegassische, nun in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Universität Göttingen auf Madagaskar untersucht.
In Hotspots der Biodiversität bekommen oft Wälder die meiste Aufmerksamkeit. Doch die durchgeführten Befragungen zeigen: Ländliche Haushalte nutzen ein großes Spektrum an Pflanzenarten und Ökosystemleistungen. 285 Pflanzenarten, von denen fast die Hälfte nur auf Madagaskar vorkommen, werden als Nahrung, Futter für Nutztiere, Medizin sowie zum Bauen und Weben eingesetzt. Unter den Landnutzungsarten ist Brachland für die Menschen besonders wichtig. Die Forschenden leiten aus den Ergebnissen ab, dass es einen Ausgleich geben muss zwischen gesellschaftlichen Bedürfnissen und dem Erhalt artenreicher Landschaften.
Das Forschungsteam befragte 320 Haushalte zu ihrer Nutzung und den Vorteilen der vorherrschenden Landnutzungsarten. Dazu zählen Urwälder, Waldfragmente, Vanille-Agroforstsysteme, holzige Brachflächen, krautige Brachflächen und Reisfelder. Für die befragten Menschen sind Urwälder und Waldfragmente zum Beispiel für die Wasserregulierung wichtig. Brachland und Vanille-Agroforstsysteme stellen Nahrung, Medizin und Futtermittel bereit.
Die Menschen sammeln die meisten Pflanzen auf holzigen Brachflächen und nutzen sie beispielsweise als Brennholz und Holzkohle. Pflanzen aus Waldfragmenten setzen sie dagegen zum Bauen und Weben ein. Brachflächen leisten – entgegen der verbreiteten Annahme, dass sie wenig wertvoll sind – für ländliche Haushalte auf Madagaskar einen großen Beitrag zur Gesundheits-, Nahrungsmittel- und Energieversorgung, zur Tierfütterung und als Quelle von Baumaterial.
Aus den Ergebnissen ziehen die Forschenden Schlüsse zum Naturschutz:
„Es ist wichtig, nicht nur den Erhalt des beeindruckenden Artenreichtums auf Madagaskar im Blick zu haben, sondern auch den Nutzen des Artenreichtums für die Bevölkerung“, sagt Erstautorin Dr. Estelle Raveloaritiana, die im Rahmen des Projekts promoviert wurde.
„Der Naturschutz sollte bei der Gestaltung von Schutz- und Entwicklungsstrategien auch die Interessen der lokalen Bevölkerung und eine biodiversitätsfreundliche, vielfältige Landbewirtschaftung berücksichtigen“, ergänzen Dr. Annemarie Wurz, mittlerweile als Postdoktorandin an der Universität Marburg, und Prof. Dr. Teja Tscharntke von der Abteilung Agrarökologie der Universität Göttingen.