Heute wachsen auf Berggipfeln deutlich mehr Pflanzenarten als noch vor 100 Jahren. Viele Studien haben bereits Hinweise darauf geliefert, dass dies mit der Erwärmung der Klimas zusammenhängt. Doch ein direkter Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und zunehmender Artenzahl konnte bisher nicht großflächig nachgewiesen werden.
red. Dies ist nun Forschern um Manuel Steinbauer von der Universität Erlangen und Sonja Wipf vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF gelungen, zusammen mit Wissenschaftlern aus elf Ländern, darunter auch zwei iDiv-Mitglieder von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Möglich wurden die Ergebnisse in Nature unter anderem auch durch zwei Workshops des iDiv-Synthesezentrums sDiv im Rahmen der Arbeitsgruppe sUMMITDiv.
Für die Studie nahmen die Wissenschaftler die Vegetation auf Berggipfeln in ganz Europa unter die Lupe. Insgesamt erhoben sie den Bestand der Arten auf 302 Gipfeln in den Alpen, den Pyrenäen, den Karpaten sowie in schottischen und skandinavischen Gebirgen. Ihre Aufzeichnungen verglichen die Forschenden mit älteren – teils historischen – Vegetationsaufnahmen derselben Gipfel. Dadurch entstand ein einmaliger Datensatz, der eine Zeitspanne von 145 Jahren umfasst.
Beschleunigte Reaktion auf den Klimawandel
Das Ergebnis zeigt, dass die Zahl der Arten auf europäischen Gipfeln generell zugenommen hat. Zudem erfolgte dieser Anstieg in den letzten Jahrzehnten immer schneller. Grund dafür ist die Klimaerwärmung, die sich ebenfalls immer mehr beschleunigt hat: Je stärker die Erwärmung in der Zeitspanne zwischen zwei Vegetationsaufnahmen auf einem Gipfel war, desto mehr hatte auch die Zahl der Pflanzenarten zugenommen. «Es ist das erste Mal, dass man eine solche beschleunigte Reaktion auf die Klimaerwärmung für alpine Lebensräume nachweisen kann», sagt SLF-Forscherin Wipf. Bisher kennt man eine derartige Beschleunigung von Prozessen – verursacht durch die immer schnellere Klimaerwärmung – vor allem von unbelebten Systemen wie beispielsweise Gletschern. Die Ergebnisse der Studie haben die Forschenden nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature publiziert.
Was sind die Konsequenzen?
Durch die gestiegenen Temperaturen gelingt es immer mehr wärme liebenden Arten aus tieferen Lagen, in höhere Regionen vorzudringen, in denen sie früher nicht überleben konnten. Sie sind im Durchschnitt grösser und dadurch konkurrenzstärker als die angestammten Gipfelbewohner. Diese laufen deshalb auf längere Sicht Gefahr, verdrängt zu werden. Wie sich die Artenzusammensetzung auf Gipfeln mit dem Klimawandel langfristig verändert, wird sich jedoch erst in den nächsten Jahrzehnten zeigen.