Plastikmüll stellt an hiesigen Stränden ein Problem dar. Deshalb wird er weitestgehend koordiniert und binnen weniger Wochen entfernt. An anderen Küsten der Welt lagert er durch ungeregelte Abfallentsorgung über viele Monate bis Jahre. Oftmals wird der Müll am Strand einfach verbrannt und eine besondere Form des Plastikmülls entsteht: sogenanntes Plastiglomerat. Dieses „Gestein“ besteht aus natürlichen Komponenten, wie Korallen-Bruchstücken, die durch das geschmolzene und wieder erstarrte Plastik zusammengehalten werden.
Eine neue Untersuchung eines deutsch-indonesischen Forschungsteams der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat nun anhand von Feldproben aus Indonesien nachgewiesen, dass von derartigen Gesteinen ein erhöhtes Umweltrisiko für Küstenökosysteme wie Seegraswiesen, Mangroven oder Korallenriffe ausgeht. Der geschmolzene Kunststoff zerfällt schneller zu Mikroplastik und ist zusätzlich mit organischen Schadstoffen belastet. Die Forschenden veröffentlichten die Ergebnisse kürzlich im Fachjournal Scientific Reports.
„Bisher gab es eher grundlegende Studien, die die Entstehung von Plastiglomeraten beschrieben haben. Mit unseren Ergebnissen haben wir erstmals gezeigt, dass sich Plastiglomerat von anderem Plastikmüll unterscheidet und können bessere Aussagen zu dessen Auswirkungen auf die Umwelt treffen“, sagt Erstautorin Dr. Amanda Utami, die als Wissenschaftlerin bei der größten Wissenschaftsorganisation Indonesiens (BRIN, Badan Riset dan Inovasi Nasional) arbeitet und mit einem dreimonatigen Stipendium nach Kiel gekommen war.
Die Forschungsarbeit wurde durch eine Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Kooperation zwischen BRIN sowie Wissenschaftlern im Forschungsschwerpunkt Kiel Marine Science (KMS) an der CAU möglich.
Neue Erkenntnisse durch internationale Zusammenarbeit
Wenn Plastikmüll am Strand verbrannt wird, entsteht durch den Schmelz- und Verbrennungsprozess das Plastiglomerat-„Gestein“, in dessen Plastikmatrix die Kohlenstoffketten angegriffen sind. Dieser chemisch degradierte Kunststoff verwittert durch die Einwirkung von Wind, Wellen und Sedimentkörnern am Strand schneller zu Mikroplastik. Durch den unvollständigen Verbrennungsprozess werden aus dem Plastik neue umweltschädliche Stoffe freigesetzt, die sich zuerst auf dem Plastik absetzen und anschließend in die Umwelt abgegeben werden. Diese Kontaminationen haben oftmals eine höhere ökotoxikologische Relevanz als das Ausgangsplastik, sind potentiell bioverfügbar und können somit in die Nahrungskette eingeführt und angereichert werden.
Insgesamt 25 Feldproben sammelte Wissenschaftlerin Utami an Stränden der Insel Panjang an der Westseite der indonesischen Insel Java und analysierte diese im Labor gemeinsam mit CAU-Forschenden. Einer davon ist Dr. Lars Reuning, wissenschaftlicher Gastgeber von Frau Utami in Kiel und Zweitautor der Studie:
„Unsere Analysen zeigen, dass Plastiglomerate mit organischen Schadstoffen belastet sind. Auch wenn weitere Ergebnisse zur Bioakkumulation noch ausstehen, sind diese als potentiell krebserregend für Menschen einzustufen.“ Reuning ist Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Paläontologie am Institut für Geowissenschaften der CAU.
Die Arbeitsgruppe, die von Professorin Miriam Pfeiffer geleitet wird, ist auch am geowissenschaftlichen Schwerpunktprogramm 2299 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Tropische Klimavariabilität und Korallenriffe“ beteiligt.
Chemische Untersuchungen zu Schadstoffen im Kieler Labor
Die Forschenden unterschieden die Proben der Plastiglomerate zunächst nach optischen Kriterien in weniger stark sowie stärker angeschmolzene oder verbrannte Proben und extrahierten flüchtige Schadstoffe mit Hilfe von Lösungsmitteln. Diese Analysen, die in der Arbeitsgruppe für Organische Geochemie von Professor Lorenz Schwark am Institut für Geowissenschaften durchgeführt wurden, ergaben so beispielsweise die Belastung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Phthalaten, die als Weichmacher für Kunststoffe verwendet werden. Beiden Stoffklassen sprechen Fachleute ein hohes Potential für die Erzeugung von Krebs zu.
Mit physikochemischen Methoden und Abgleich mit Datenbanken haben die Forschenden zudem die Art der Polymere wie Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE) oder deren Gemische charakterisiert. Über Messungen mittels Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FTIR) in der Arbeitsgruppe von Professor Gernot Friedrichs am Institut für Physikalische Chemie der CAU konnten sie auch den Grad der Verwitterung untersuchen. Ergebnis: Bereiche, die schon optisch sichtbar stärker dem Verbrennungsprozess ausgesetzt waren, zeigten auch einen größeren Grad an Verwitterung und Oxidation.
Zahlreiche Auswirkungen auf Küstenökosysteme vermutet
„Um Umweltschäden besser abschätzen zu können, erforschen wir aktuell die genaue Zusammensetzung der mit dem Plastik assoziierten organischen Schadstoffe, wie beispielsweise Organophosphorverbindungen“, sagt Geochemiker Schwark. Ebenfalls von Interesse ist die Fähigkeit der Plastiglomerate, zu zerfallen. „Normalerweise wirkt Photo-Oxidation durch UV-Licht auf die oberste Schicht der Kunststoffe. Doch die Thermo-Oxidation durch Verbrennung des Plastikmülls verändert auch die inneren Strukturen des Materials erheblich,“ so Geowissenschaftler Reuning.
In Zukunft werden zahlreiche Küstenökosysteme der tropischen Gewässer vor Indonesien als auch weltweit von Plastiglomeraten betroffen sein. Studien zeigen bereits, dass organische Schadstoffe auch auf Korallen oder andere Meeresorganismen übertragen werden und sich damit negativ auf die Gesundheit der Meere auswirken können. Weitere Untersuchungen beschäftigen sich deshalb auch mit anderen Ökosystemen wie Seegraswiesen, Mangroven oder mit im Sediment lebenden Organismen.
„Im Vergleich zum normalen Plastikmüll erfordern die besonderen Eigenschaften der Plastiglomerate auch eine besondere Form des Küstenmanagements“, resümiert Utami. „Würde der Müll aus Ballungsgebieten an tropischen Stränden besser entsorgt und gemanagt, könnte ein gravierendes Problem verhindert werden.“