Der Klimawandel macht die Erdmännchen krank

Erdmännchen balancieren auf Holz oder Gestrüpp, um nach Räubern Ausschau zu halten Foto: Prof. Simone Sommer Uni Ulm

Welche Auswirkungen der Klimawandel auf wilde Erdmännchen in der Kalahari hat, haben Biologinnen und Biologen des Instituts für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Universität Ulm anhand von Kotproben untersucht. Denn über die letzten 20 Jahre hat sich das Darm-Mikrobiom verändert und mit krankheitserregenden Bacteroidia angereichert – gleichzeitig ist es an gesundheitsfördernden Milchsäurebakterien verarmt. Die Folgen daraus sind eine höhere Anfälligkeit gegenüber Tuberkulose und eine geringere Lebenserwartung. 

Der Klimawandel hat Auswirkungen auf wildlebende Erdmännchen in der südafrikanischen Kalahari. Biologinnen und Biologen der Universität Ulm konnten anhand von Kotproben eine Veränderung der im Darm angesiedelten Bakterien nachweisen. Das Ergebnis: Über die letzten 20 Jahre hat sich das Mikrobiom mit krankheitserregenden Bacteroidia angereichert – gleichzeitig ist es an gesundheitsfördernden Milchsäurebakterien verarmt. Die Folgen daraus sind eine höhere Anfälligkeit gegenüber Tuberkulose und eine geringere Lebenserwartung der Erdmännchen.

Die durchschnittliche Höchsttemperatur hat in der südafrikanischen Kalahari in den letzten 20 Jahren um mehr als zwei Grad zugenommen, fünfmal mehr als im globalen Durchschnitt. Im gleichen Zeitraum hat sich das Darm-Mikrobiom der Kalahari-Erdmännchen (Suricata suricatta) mit den zumeist krankheitserregenden Bacteroidia angereichert und ist an Milchsäurebakterien verarmt, einer Gruppe von Bakterien, die als vorteilhaft gelten. „Diese Verschiebungen traten nicht nur innerhalb gegenwärtig lebender Individuen auf, sondern wurden über Generationen hinweg verstärkt“, schildern die Erstautorinnen der Veröffentlichung, Dr. Alice Risely und Dr. Nadine Müller-Klein vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Uni Ulm.

Mehr Bacteroidia waren zusätzlich mit einem Anstieg von Tuberkulose in der Erdmännchen-Population verknüpft. Trockene, heiße Wetterphasen, schlechte Konstitution und das Auftreten von Tuberkulose sind Faktoren, die direkt mit einer bis zu zehnmal niedrigeren Überlebenschance der Kleinsäuger verbunden sind. Der gleichzeitig auftretende Verlust an Milchsäure-produzierenden Bakterien, die für die Gesundheit von Wirtsorganismen wichtig sind, trug nachweislich ebenfalls zur erhöhten Sterblichkeit bei. Damit beantworten die Biologinnen und Biologen eine bislang offene, doch essenzielle Frage: Wirken sich Klimaveränderungen auf das Darm-Mikrobiom und damit längerfristig auf die Fitness ihres Wildtierwirts aus?

Untersucht haben die Ulmer Forschenden insgesamt 1141 Kotproben von 235 Erdmännchen-Individuen, die seit 1993 vom „Kalahari Meerkat Project“ unter der Leitung von Professor Tim Clutton-Brock (Universität Cambridge, Cambridge, UK) und Professorin Marta Manser (Universität Zürich, Schweiz) im Kuruman River Reservat im nördlichen Südafrika gesammelt wurden. Außerdem reisten die Biologinnen und Biologen selbst in die Kalahari, um vor Ort die Probennahme zu beobachten, Vorträge zu halten und mit den Kooperationspartnern weitere Projekte zu besprechen.

Bei ihrem letzten Aufenthalt 2023 gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zudem, eine Gruppe von tuberkulosekranken Erdmännchen, die seit Monaten nicht lokalisierbar war, wiederzufinden. Im Forschungslabor an der Universität Ulm wurde die bakterielle DNA der Kotproben dann extrahiert und ein bestimmtes Gen, anhand dessen man Bakterien unterscheiden kann, identifiziert.

Prof. Simone Sommer umgeben von wilden Erdmännchen. Foto: Dr. Nadine Müller-Klein. Uni Ulm

Das Mikrobiom, also die Gemeinschaft von Bakterien im Darm, ist von zentraler Bedeutung für den Stoffwechsel und die Immunität des Wirt-Säugetiers. Es reguliert das Gleichgewicht von vielen zentralen physiologischen Prozesse im Organismus. Wird die mikrobielle Gemeinschaft dauerhaft gestört, kann das schwerwiegende Konsequenzen haben und zu einer so genannten Dysbiose führen, die oft mit der Abnahme nützlicher Bakterien und der Zunahme potenziell krankheitserregender Bakterien verbunden ist. Stressoren, die eine derartige Störung hervorrufen können, sind vielfältig.

Dazu gehören unter anderem vom Menschen gemachte Veränderungen des Lebensraumes gekoppelt mit Veränderungen der natürlichen Nahrung, des sozialen Umfeldes, sowie psychischer und physischer Stress, Umweltgifte wie Dünger oder Unkrautvernichter, Medikamente, Krankheiten etc. Mithilfe eines statistischen Modells konnten die Forschenden in dieser Langzeitstudie einen Zusammenhang zwischen den Temperaturveränderungen und der Zusammensetzung der bakteriellen Darmgemeinschaft erkennen. „Die Tatsache, dass auch der Klimawandel die Darmbakterien stören kann, war bislang unbekannt“, fasst Dr. Dominik Schmid, ebenfalls Mitglied der Forschungsgruppe, zusammen.

Institutsleiterin Professorin Simone Sommer ordnet die Beobachtungen der Veränderungen des Erdmännchen-Mikrobioms im Hinblick auf die globale Klimaerwärmung ein: „Langzeitstudien über die mikrobielle Darmgemeinschaft von Wildtierarten sind äußerst selten. Viele Fragen zu den Folgen von Temperaturveränderungen oder Krankheitsanfälligkeit können oft nur in Experimenten behandelt werden oder werden aufgrund kurzfristiger Beobachtungen vermutet. Um zu verstehen, ob die vermuteten Auswirkungen biologisch bedeutsam sind, müssen die Annahmen jedoch anhand von Langzeitdaten und unter natürlichen Gegebenheiten überprüft werden, wozu wir hier erstmals Gelegenheit hatten.“

Die Studie am Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Universität Ulm ist die Erste, die die Auswirkungen der Klimaveränderung und der Krankheitsdynamik auf die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms in einer Region der Welt dokumentiert, in der die globale Erwärmung fünfmal so schnell voranschreitet wie im Rest der Welt.