Die Vegetation reagiert mit verschiedenen Mechanismen auf Dürre, sowohl durch strukturelle als auch durch physiologische Veränderungen der Pflanzen. In einer neuen Studie, geleitet von Dr. Wantong Li und Dr. Rene Orth vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie, wurden diese Reaktionen im globalen Maßstab aufgeschlüsselt. Durch Analyse modernster satellitengestützter Daten mithilfe maschinellen Lernens konnte das Team erstmals global nachweisen, dass durch Dürren auch die Physiologie der Vegetation, nicht nur ihre Struktur, in manchen Ökosystemen verändert wurde. Die Ergebnisse sind wichtig um zu verstehen, wie globale Ökosysteme auf Wasserknappheit reagieren.
In vielen Gebieten unserer Erde werden die Böden trockener und Dürren häufiger, sowohl die Dauer als auch die Stärke der Trockenheit nehmen zu. Mangelernährung der Pflanzen und das Versagen ihres Wassertransport-Systems werden bei zunehmender Trockenheit immer wahrscheinlicher. Solcherart gestresste oder gar abgestorbene Pflanzen verändern die Vegetation, was wiederum unterschiedliche Rückwirkungen auf das Klima zur Folge hat. Bislang wurden die großräumigen Auswirkungen von Trockenheit auf die Vegetation überwiegend durch die Analysen struktureller Pflanzenmerkmale bewertet. In größerem Maßstab liefern beispielsweise Satellitendaten Messwerte für die Oberfläche der Blätter oder für die Dichte der Vegetation und wie stark diese die Erde bedeckt.
In der neuen Studie analysierte das internationale Forscherteam um Wantong Li neuartige satellitengestützte Messungen mit maschinellem Lernen, einer Methode der künstlichen Intelligenz. Sie konnten dadurch erstmals Veränderungen der Physiologie, also der biologischen Funktionsweise der Pflanzen, von denen der Pflanzenstruktur als Reaktion auf die Trockenheit trennen. Für die Studie verwendeten sie Satellitendaten mit hoher räumlicher Auflösung, aus den Jahren zwischen 2018 und 2021, in denen viele Dürren weltweit stattgefunden hatten.
Durch den besonderen Fokus auf schwere Dürreereignisse gelang es dem Team, physiologische Reaktionen auf Trockenheit in Bezug auf die Photosynthese, die Verdunstung und den Wassergehalt zu charakterisieren. Sie fanden heraus, dass zwei Pflanzenfunktionen am stärksten von der Trockenheit betroffen sind: erstens die Austauschraten von CO2 und Wasserdampf, die durch die winzigen Poren der Spaltöffnungen auf der Blattunterseite reguliert werden, und zweitens die Effizienz, mit der die Sonnenstrahlung für die Photosynthese genutzt oder anderweitig von den Blättern absorbiert wird.
„Pflanzenphysiologen haben schon früher gezeigt, dass einzelne Pflanzenarten auf Trockenheit mit Reaktionen antworten, die weit über einfache strukturelle Veränderungen hinausgehen“, erklärt Wantong Li. „Unsere Studie bestätigt dies nun für die gesamte Vegetation, auf globaler Ebene und für viele einbezogenen Arten“.
Die neue Herangehensweise hat mehrere Vorteile
Wird die Physiologie der Pflanzen mitbetrachtet, so bekommt man ein kompletteres Bild über die Reaktion der Vegetation auf Trockenstress, als wenn nur das strukturelle oder äußere Erscheinungsbild betrachtet würde. Auch wird bei rein struktureller Betrachtung wahrscheinlich unterschätzt, ab wann und wie lange, in welchem Ausmaß und mit welcher Stärke die Vegetation tatsächlich von der Trockenheit betroffen ist.
Außerdem reagiert der Stoffwechsel in der Regel schneller auf Stress als das strukturelle Erscheinungsbild der Pflanzen. Die Auswirkungen von Trockenheit können daher früher erkannt werden, auch bei späten strukturellen Reaktionen. So kann beispielsweise das Verdorren einer Wiese leicht auf Trockenheit zurückgeführt werden. Hingegen können andere Pflanzen, insbesondere Bäume, rein äußerlich zwar normal aussehen, tatsächlich aber schon mit starken physiologischen Reaktionen unter Dürre leiden.
Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass die Vegetation in halbtrockenen und trockenen Regionen am stärksten betroffen ist, was auf einen engen Zusammenhang zwischen dem vorherrschenden Klima und den Stoffwechselreaktionen hinweist. In feuchteren Regionen beobachteten die Wissenschaftler, dass die Vegetation während Dürreereignissen immer noch grün ist. Dennoch war ihre Funktionsfähigkeit klar eingeschränkt. Auch hier wird die deutlich, dass nur mit der neuen Methode die Reaktion der Vegetation auf eine schwere Dürre festgestellt werden konnte.
Dr. René Orth, Mitautor und Leiter der Forschungsgruppe am MPI-BGC, unterstreicht die weitreichende Bedeutung ihrer Forschung: „Zu verstehen, wie die Vegetation physiologisch auf Trockenheit reagiert, ist entscheidend für die Vorhersage und die Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels. Diese Ergebnisse liefern eine genauere Grundlage für die biologischen und umweltbedingten Rückkopplungsmechanismen von Ökosystemen, die eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft unseres Planeten spielen“.