Der Ozean wird nach Einschätzung der Wissenschaft und des Weltklimarates IPCC ein Teil der Lösung für die Klimakrise sein. Zunehmend wird der Einsatz von Negativemissionstechnologien diskutiert, mit denen Kohlenstoff in den Meeren gespeichert werden soll. In der Fachzeitschrift „Frontiers“ beschreiben die RIFS-Forscherinnen Lina Röschel und Barbara Neumann die Herausforderungen. Der rechtliche und institutionelle Rahmen für internationale Meeres-Governance, so ihr Fazit, ist nicht für die Regulierung der Technologien ausgelegt. Es braucht einen vorausschauenden Governance-Ansatz, eine umfassende Berücksichtigung möglicher Auswirkungen und eine Einbindung von Interessengruppen.
Der Ozean bietet nach Einschätzung der Wissenschaft Möglichkeiten für die zusätzliche Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre, zum Beispiel durch das Einbringen von alkalinen Mineralien wie Olivin in das Oberflächenwasser. Bei diesem auch als Alkalinisierung bezeichneten Verfahren wird durch chemische Prozesse das Meerwasser so verändert, dass zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und gebunden werden kann. Andere Verfahren setzen auf die Anpflanzung oder Ausweitung von Küstenökosystemen wie Mangrovenwäldern, die CO2 aufnehmen und in darunter liegenden Sedimenten speichern können.
Unbeabsichtigte Nebenwirkungen – auch fern des Einsatzortes
In ihrer Studie, entstanden im Rahmen des EU-geförderten Forschungsprojektes OceanNETs, geben die RIFS-Forscherinnen zunächst einen Überblick über die potenziellen Auswirkungen von acht ozeanbasierten Negativemissionstechnologien auf die Meeresumwelt und auf Ökosystemleistungen. Darauf aufbauend analysieren sie den bestehenden Regulierungsrahmen im Hinblick auf neue Anforderungen beim Einsatz dieser Technologien.
Ein besonderes Augenmerk richten die Forscherinnen auf unbeabsichtigte Nebeneffekte der untersuchten Technologien. Diese können, beispielsweise über Meeresströmungen, auch fern des Einbringungsortes auftreten.
„In Entscheidungsprozessen dürfen sie keinesfalls außer Acht gelassen werden. Neben internationalen Abkommen, die explizit den Einsatz solcher Technologien ansprechen, fördern oder einschränken, müssen daher auch solche Abkommen in Betracht gezogen werden, die indirekt relevant sind, etwa weil sie Ziele wie den Meeresumweltschutz, den Schutz der Biodiversität oder auch sozio-ökonomische Fragen nachhaltiger Entwicklung regeln“, sagt Lina Röschel.
Das derzeitige internationale Governance-System mit seiner Vielzahl an Abkommen und Regelwerken, Institutionen und Verantwortlichkeiten sei zu fragmentiert, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden.
Vorausschauendes Handeln ist gefragt
Um zukünftig eine umfassende, gut abgestimmte und zielorientierte Regulierung der Technologien zu gewährleisten, bedarf es laut den Forscherinnen vorausschauenden Handelns.
„Auch wenn die technologischen Verfahren vielfach noch in Entwicklung sind und die möglichen Auswirkungen nicht genau beziffert werden können, sollten politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Akteure bereits heute proaktiv an das Thema herangehen und abgestimmte Ansätze für die Steuerung und Regulierung von negativen Emissionstechnologien entwickeln“, fordert Barbara Neumann.
Zielkonflikte sollten minimiert, Vorteile maximiert und gerecht unter der internationalen Staatengemeinschaft verteilt werden.