Wälder erneuern sich von Natur aus selbst

Naturwaldreservat Tariche Bois Banal, Schweiz. Markus Bolliger

Wie sich Europas Wälder verjüngen, wenn der Mensch nicht eingreift. Wie die Waldverjüngung genau funktioniert, ist bisher jedoch kaum erforscht. Forschende der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) und der Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) haben sich daran gemacht, das Puzzle zu lösen.

Erstmals haben Forschende um Yannek Käber, Doktorand in der Professur Waldökologie der ETH Zürich, und seine Kollegen und Kolleginnen von der ETH und der WSL gemeinsam mit der European Forest Research Initiative einen Blick auf die Waldverjüngung in geschützten Wäldern Europas geworfen.

In einer neuen Studie, die soeben in der Fachzeitschrift «Journal of Ecology» erschienen ist, zeigen die Forschenden, wie sich die natürliche Verjüngung ohne menschlichen Einfluss entwickelt. Dazu untersuchten sie das Aufkommen junger Bäume in fast 300 Naturwaldreservaten in ganz Europa. Sie analysierten, wie die Erneuerung des Waldes unter verschiedensten Umweltbedingungen funktioniert. Dabei untersuchten die Forschenden das komplexe Zusammenspiel zwischen Baumarteneigenschaften, Walddichte, Störungen und Klima.

Wassermangel führt zu harter Konkurrenz

Einer der wichtigsten Prozesse für die Waldverjüngung ist Konkurrenz. Welche Strategien die Bäume verwenden, hängt von der Baumart ab. Die Studie zeigt, dass positive Wechselwirkungen zwischen Bäumen nur bei wenigen Arten vorkommen und somit seltener sind als bislang angenommen. Die Eigenschaften der Arten und unterschiedliche Stressfaktoren bestimmen, ob Bäume sich während der Verjüngung gegenseitig vor Kälte oder Trockenheit schützen oder als Konkurrenten im Wettbewerb stehen.

Unter Kältestress findet die Verjüngung tendenziell mehr Schutz durch andere Bäume als unter Dürre-​Stress. Dieses Ergebnis erklären die Forschenden dadurch, dass niedrige Temperaturen keinen Wettbewerb um begrenzte Ressourcen auslösen. Der Mangel an Wasser hingegen führt zu einem harten Wettbewerb. Dabei werden kleinere Bäume potenziell unterdrückt.

Warten auf Lücken

Weiter zeigt die Studie, welche Strategien die jeweiligen Baumarten zur Verjüngung nutzen. Einige Arten sind besonders erfolgreich in dichten Wäldern. Andere warten auf Störungen wie Feuer oder Stürme, die Lücken im Kronendach schaffen. Sobald genug Licht verfügbar ist, wachsen diese Arten schnell heran.

In Mischwäldern spielen die unterschiedlichen Strategien der Baumarten zusammen. Damit können solche Wälder besser auf klimatischen Stress reagieren, etwa indem mehr Arten aufkommen, die beispielsweise mit Dürre und Hitze klarkommen. Dadurch ändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Waldes, sondern auch seine Struktur, das heisst die Mischung von Bäumen unterschiedlicher Grösse und Alter. Und es bilden sich Waldstrukturen, die nur in ungestörten und geschützten Wäldern entstehen können.