Neue Analyse zur aktuellen und zukünftigen globalen Wasserqualität: Es fehlen insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern verlässliche Informationen zur Wasserqualität von Flüssen und Seen. Deshalb setzt sich die World Water Quality Alliance, ein vom UN-Umweltprogramm ins Leben gerufenes Konsortium, dafür ein, der Wasserqualität die notwendige Aufmerksamkeit zu verleihen. Das vom UFZ koordinierte und vom BMBF geförderte Verbundprojekt GlobeWQ konnte auf globaler Skala zeigen, wie durch die Kombination von in-situ-Messdaten, Fernerkundungsdaten und Modellierungen die Wasserqualität und die von ihr ausgehenden Risiken besser bestimmt werden können als bisher.
Wasser ist die Grundlage allen Lebens. Die ausreichende Verfügbarkeit von Wasser guter Qualität für Mensch und Natur ist daher unabdingbar. „Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle“ – so lautet deshalb das Ziel Nummer 6 von insgesamt 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs) der Vereinten Nationen, die im Rahmen der Agenda 2030 umgesetzt werden sollen.
„Das sechste Nachhaltigkeitsziel beinhaltet auch den Schutz wasserabhängiger Ökosysteme sowie die Sicherung der Wasserqualität für Mensch und Umwelt“, sagt Prof. Dietrich Borchardt, Leiter des UFZ-Themenbereichs Wasserressourcen und Umwelt.
„Doch dafür fehlt es vielerorts – insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern – an Informationen, mit denen die Wasserqualität überhaupt eingeschätzt werden kann. Zudem ist ein regelmäßiges Gewässermonitoring mit Probenahmen und Laboranalysen aufwendig und teuer – und daher nicht an allen Orten der Welt durchführbar.“
Das Projekt GlobeWQ füllt diese globalen Daten- und Informationslücken im Bereich der Wasserqualität.
„Durch die Kombination von Daten aus Freilandmessungen, Fernerkundung und Wasserqualitätsmodellierung wollten wir ein flächendeckendes und kohärentes Bild über den Zustand von Gewässern gewinnen sowie Erkenntnisse über ihre wichtigsten Einflussfaktoren“, sagt Projektleiter Dietrich Borchardt.
Gemeinsam mit Nutzerinnen und Nutzern vor Ort entwickelten und erprobten die Forschenden verschiedene regionale Anwendungsbeispiele für die Analyse- und Service-Plattform GlobeWQ: den Victoriasee in Afrika, den Sewansee in Armenien und die Elbe in Deutschland. Dafür kombinierten die Forschenden jeweils Vor-Ort-Messdaten aus der globalen Datenbank GEMStat mit Aufnahmen der Sentinel-2-Satelliten und Modellrechnungen. „Mithilfe der Fernerkundung sind optische Messungen wie die Erfassung von Trübung, Sichttiefe und des Gehalts an Chlorophyll-a als Anzeiger für das Algenvorkommen im Gewässer möglich“, sagt Hydrogeologe Dr. Christian Schmidt, der das Projekt am UFZ koordiniert.
Für den Victoriasee, wo es immer wieder zu schädlichen Algenblüten kommt, die sich negativ auf die Fischerei auswirken, liefert GlobeWQ zeitnahe und flächige Informationen zu Chlorophyll-a-Konzentrationen. Sie ermöglichen, Gefahren durch Algenblüten frühzeitig zu erkennen. Das Risiko schädlicher Algenblüten besteht auch in der Elbe. „Gemeinsam mit der Flussgebietsgemeinschaft Elbe haben wir im Projekt den Prototyp für eine Plattform erstellt, der zuverlässige Informationen zu zeitlichen Abläufen und räumlichen Mustern von Algenblüten innerhalb des Flusssystems liefert“, sagt der UFZ-Forscher.
Bislang wurden Daten aus Vor-Ort-Messungen für die Bewertung der Wasserqualität als Goldstandard angesehen. Doch mit den Anwendungsbeispielen aus dem GlobeWQ-Projekt können die Forschenden zeigen, dass Fernerkundungsdaten und Modellierung diese sinnvoll ergänzen können, um die Datenlücken zu schließen und die Wasserqualität von Gewässern einzuschätzen.
„Vom Prinzip her ist es genauso wie bei der Wettervorhersage“, sagt Hydrobiologe Dietrich Borchardt. „Die zusätzlichen und hochaufgelösten Informationen haben einen großen Mehrwert, den wir nutzen sollten – um künftig die Wasserqualität räumlich und zeitlich besser einschätzen und vorhersagen zu können und sie durch zielgenauere Maßnahmen nachhaltig zu verbessern.“
Die Methode wurde auch von am Projekt beteiligten deutschen Firmen aufgegriffen und weiterentwickelt. Erfolgreich angewandt wurde sie beispielsweise bei der Aufklärung der Ursachen für das Fischsterben in der Oder im Sommer 2022.
Neben den regionalen Anwendungsbeispielen wurde im GlobeWQ-Projekt das Wasserqualitätsmodell WorldQual der Ruhr-Universität Bochum ausgebaut. „Mit dem WorldQual-Modell ist es möglich, in monatlicher Auflösung zu simulieren, wie sich bestimmte Parameter, die für die Einschätzung der Wasserqualität wichtig sind, entwickeln“, erklärt Christian Schmidt. Dazu zählen etwa der biologische Sauerstoffbedarf, das Vorkommen von Indikatorkeimen für fäkale Verunreinigungen oder der Phosphorgehalt.
„Bislang waren mit WorldQual solche Simulationen ausschließlich für Flüsse in Südamerika, Afrika oder Teilen Asiens möglich. Im Rahmen von GlobeWQ konnten wir das Modell so erweitern, dass es nun weltweit funktioniert.“ Dietrich Borchardt ergänzt: „Damit gibt es für ehemals weiße Flecken auf der Wasserqualitäts-Weltkarte erstmalig Modelldaten, die es ermöglichen, die Wasserqualität von Flüssen flächendeckend einzuschätzen. So ist schneller erkennbar, wo es besonders wichtig ist, Einträge aus der Landwirtschaft zu reduzieren oder Kläranlagen zu bauen.“
Die Wasserqualitätsmodellierung erlaubt darüber hinaus Prognosen zur zukünftigen Entwicklung der globalen Wasserqualität unter den Bedingungen des Bevölkerungswachstums und des Klimawandels. Die Analyse gibt vorsichtigen Anlass zur Hoffnung, dass die Belastung durch coliforme Bakterien (in Folge fäkaler Verunreinigungen) wegen der verbesserten Abwasserbehandlung bis 2040 weltweit sinkt – mit Ausnahme von Afrika. Dort dürfte die Belastung noch bis 2060 steigen, danach aber ebenso kontinuierlich sinken.