Für viele Kommunen stellt sich heute nicht mehr die Frage, ob sie ihr Verwaltungshandeln am Prinzip der Nachhaltigkeit ausrichten sollen, sondern vielmehr darum, wie sie das tun. Da das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens global betrachtet kaum noch gehalten werden kann, werden die Folgewirkungen der übermäßigen Treibhausgasemissionen der letzten Jahrzehnte auch in deutschen Kommunen immer spürbarer.
Die regional zum Teil erheblich variierenden Auswirkungen des Klimawandels müssen dabei auch in ihren Wechselwirkungen mit sozialen Einkommensungleichheiten in der Bevölkerung sowie fiskalischen Disparitäten im Städtevergleich problematisiert werden. Um diese vielschichtigen Herausforderungen zu bewältigen, stehen Städte und Gemeinden vor der Aufgabe, neue Governance-Formen und Steuerungsansätze zu entwickeln. Aus Sicht der Kämmereien und Finanzdezernate muss dazu das Management einer an Nachhaltigkeitszielen orientierten Transformation nicht nur durch hinreichende Budgets hinterlegt sein, sondern auch mit geeigneten haushalterischen Instrumenten flankiert werden.
Eine ganze Reihe von Kommunen in der Bundesrepublik hat bereits erste Erfahrungen mit dem Instrument des sogenannten Nachhaltigkeitshaushalts gesammelt. Um die Wirkungsorientierung des Haushalts zu erhöhen, werden darin systematisch Nachhaltigkeitsziele verankert. Ergänzend dazu hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) zusammen mit neun Kommunen aus Nordrhein-Westfalen, der NRW-Bank und dem Städtetag NRW im Rahmen der Gemeinschaftsstudie „Nachhaltigkeitshaushalt und Nachhaltigkeitsrendite“ das Instrument der „Nachhaltigkeitsrendite“ entwickelt.
„Während der Nachhaltigkeitshaushalt dabei als ganzheitliches Werkzeug zur wirkungsorientierten Haushaltssteuerung zu verstehen ist, legt die Nachhaltigkeitsrendite den Fokus auf einzelne Investitionsmaßnahmen“, so Difu-Projektmitarbeiter Oliver Peters.
Beide Steuerungswerkzeuge bedienen sich dabei der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Diese liefern Ziele und Indikatoren, die als Leitplanken für sämtliche Nachhaltigkeitsaktivitäten der Kommunen in unterschiedlichen Handlungsfeldern dienen können.
„Mit dem Instrument der Nachhaltigkeitsrendite erhalten Kämmereien ein Instrument, um mittels einer Bepunktung zu bewerten, wie haushalterische Aufwendungen für transformationsrelevante Investitionen in unterschiedlichen Beschaffungsvarianten auf die Nachhaltigkeitsziele einzahlen. Der Anteil der so ermittelten Punktewerte an den maximal erreichbaren Punkten wird dann ins Verhältnis zu den Kosten über den Lebenszyklus der Investition gesetzt“, so Dr. Henrik Scheller, Leiter des Difu-Teams Wirtschaft, Finanzen und Nachhaltigkeitsindikatorik, der die Studie geleitet hat.
Das Ergebnis dieser Bewertungen soll den Finanzverantwortlichen vor Ort als Argumentationshilfe in den Haushaltsverhandlungen dienen. Eine wesentliche Voraussetzung bei der Erarbeitung war die Handhabbarkeit des Instruments im Rahmen der täglichen Arbeit der Kämmereien zu gewährleisten.
Im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts wurde auch eine Berechnung der Nachhaltigkeitsrendite über eine CO2-Berechnung in Form von Ökobilanzierungen sowie deren Bepreisung über Treibhausgaszertifikate geprüft. Diese Methode stellte sich aber als zu aufwendig für die tägliche Arbeit in den Kämmereien heraus.
Das Modell der Nachhaltigkeitsrendite stützt sich auf theoretische Grundüberlegungen einer ökonomischen Rendite. Um die Rendite für ein Projekt zur Stärkung der nachhaltigen Stadtentwicklung zugänglich zu machen, wird unter einer Nachhaltigkeitsrendite – anders als bei einer klassischen finanzwirtschaftlichen Rendite – eine mehrdimensionale Größe verstanden. Die Nachhaltigkeitsrendite berücksichtigt die drei etablierten Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Im Zentrum steht eine indexbasierte Bewertung der Wirkungen einzelner Investitionen auf relevante SDGs für Kommunen.
„Diese wird den heutigen und im Idealfall auch den künftigen Kosten der jeweiligen Investition gegenübergestellt. Im Ergebnis wird so ersichtlich, welche Investitionsalternative das beste Nachhaltigkeits-Kosten-Verhältnis aufweist“, so CO-Projektleiter Dr. Christian Raffer.
Bewusst wurde darauf verzichtet, einen einzelnen, aggregierten Renditewert zu ermitteln. Stattdessen wird die Nachhaltigkeitsrendite in Form eines Dashboards separat für die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ausgewiesen. Wie die einzelnen Dimensionen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind, bleibt der Verwaltung und vor allem dem politischen Aushandlungsprozess in den Kommunen überlassen.
„Damit soll das Werkzeug auch eine Diskussionsgrundlage zur Beantwortung der normativen Frage liefern, ob eine Kommune in ihrer spezifischen Investitionsentscheidung alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit gleichermaßen gewichtet – wie es der Orientierungsrahmen der SDGs fordert – oder beispielsweise der ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit einen Vorrang gegenüber sozialen und ökonomisch-haushalterischen Aspekten gibt“, so Difu-Projektmitarbeiter Oliver Peters.
Die Anwendung der Nachhaltigkeitsrendite wurde bisher beispielhaft an zwei kommunaltypischen Investitionsmaßnahmen erprobt: einem Schulneubau in konventioneller versus nachhaltiger Bauweise und einer Ersatzbaumpflanzung im Stadtpark versus einer Straßenbaumpflanzung in einem hochverdichteten und sozial benachteiligten Quartier.
Zur Studie:
An der Gemeinschaftsstudie „Nachhaltigkeitsorientierung und Nachhaltigkeitshaushalt“ nahmen die Städte Bochum, Bonn, Bottrop, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Münster, Oberhausen, Wuppertal, NRW-Bank, Städtetag NRW. Die Arbeiten des Deutschen Instituts für Urbanistik wurden dabei immer wieder in Workshops diskutiert und gemeinsam kritisch reflektiert.