Der Deutsche Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist zum 26. Mal vergeben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die DBU-Kuratoriumsvorsitzende und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, überreichten heute in Erfurt der Meeresbiologin Prof. Dr. Antje Boetius (51, Bremerhaven) und einem interdisziplinären Abwasser-Expertenteam aus Leipzig um Prof. Dr. Roland A. Müller (55), Dr. Manfred van Afferden (57), Dr. Mi-Yong Lee (47) und Dipl.-Ing. Wolf-Michael Hirschfeld (70) den mit 500.000 Euro dotierten größten, unabhängigen Umweltpreis Europas. Die DBU betont damit die Bedeutung der Meere für Klima, Lebensvielfalt und Nahrungsversorgung und warnt vor Klimawandel, Umweltverschmutzung und Überfischung. Gleichzeitig soll auch der weiteren Forderung der Vereinten Nationen Nachdruck verliehen werden, bis 2030 für die Weltbevölkerung sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen und eine angemessene Sanitärversorgung für alle und damit deutlich bessere Lebensbedingungen zu gewährleisten.
Ozeane bedeutsamste Wärmespeicher auf der Erde
Die DBU betonte, die Ozeane seien ein wichtiger Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten und der bedeutsamste Wärmespeicher auf der Erde, deren Klima sie regulierten. Sie pufferten die Auswirkungen der Industrialisierung ab und nähmen große Mengen Kohlendioxid und Wärme auf. Sie seien die Wetterküche der Erde, weil häufig über ihnen Wind, Stürme und Niederschläge entstünden.
Tatsächlich seien die Ozeane allerdings in einem bedenklichen Zustand. Das Schmelzen der Polkappen, die Erwärmung sowie die Industrialisierung, Überfischung und Müllmengen ungeahnten Ausmaßes gefährdeten dieses Ökosystem immer mehr. Die Zahl der sogenannten Todeszonen in den Weltmeeren – Sauerstoffmangelgebiete, die den Bestand von Lebewesen gefährden, – sei seit 1995 um mehr als ein Drittel angewachsen auf aktuell über 400. Sie seien über 245.000 Quadratkilometer groß, was mehr als zwei Drittel der Fläche Deutschlands entspreche.
Bahnbrechend für bessere der Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort
Das sei auch darauf zurückzuführen, dass 80 bis 90 Prozent des Abwassers in den Entwicklungsländern direkt und unbehandelt in Flüsse, Seen und Meere eingeleitet würden. In diesen Ländern einen funktionierenden, handhabbaren, wartungsarmen, kosten- und energiesparenden Abwassersektor zu schaffen, sei bahnbrechend für eine Verbesserung der Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort und ihrer Kinder und Kindeskinder. Gleichzeitig gebe es im Ökosystem Meer noch immer Wissenslücken, die für das Verständnis der Zusammenhänge zwischen mikrobieller Vielfalt in der Tiefsee und globalen Veränderungen wie dem Klimawandel geschlossen werden müssten. Nur im Lichte dieser Prozesse könne man den globalen Klimakreislauf verstehen und auf der Basis dieser Erkenntnisse handeln, so die DBU.
Bedeutung von Tiefsee-Bakterien für das Weltklima belegt
Antje Boetius, die Tiefsee- und Polarforscherin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, sei eine herausragende Wissenschaftlerin mit einem außerordentlichen Talent für das fachübergreifende Verständnis systemischer Prozesse in den weltweiten Ozeanen und für das Vermitteln der Zusammenhänge.
Durch ihre Forschung habe sie die Bedeutung von Tiefsee-Bakterien für das Weltklima belegt, die dafür sorgten, dass nur ein Teil des klimaschädigenden Methans aus den Ozeanen in die Atmosphäre entweiche und so ein schnelleres Aufheizen des Planeten verhindert werde. Die Meeresbiologin, Ökosystemforscherin und Wissenschaftskommunikatorin habe mehrfach aufgezeigt, dass menschliches Handeln in den entlegensten Winkeln der Erde nachweisbar sei.
Kaum erforschte Welt vor destruktiven Tiefseebergbau-Verfahren schützen
Neben dem Klimawandel habe nach Boetius‘ Einschätzung bisher auch die Fischerei die Ozeane schon weltweit verändert. Ihr Ziel sei es, dazu beizutragen, dass die noch kaum erforschte Welt der Tiefsee nicht Opfer destruktiver Verfahren des Tiefseebergbaus werde wie es durch den Abbau von Rohstoffen wie Mangan, Eisen, Kobalt und seltenen Metallen möglich wäre. Die Ozeane sollten als Teil des Planeten und des gesellschaftlichen Handelns verstanden werden, für das die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen auch gelten würden. Die Vielfalt des Lebens im Meer und in den Polarregionen sei ebenfalls eine wichtige Zukunftsressource, für deren Schutz gesorgt werden müsse.
In Jordanien Pionierarbeit und Hilfe zur Selbsthilfe geleistet
Das Team um die Forschergruppe des Departments „Umwelt und Biotechnologisches Zentrum“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (Müller, van Afferden, Lee) und den Initiator des Bildungs- und Demonstrationszentrums für dezentrale Abwasserbehandlung, Hirschfeld,
habe als Anwalt für den Wasserressourcenschutz in Jordanien Pionierarbeit und Hilfe zur Selbsthilfe geleistet. Jordanien sei eines der drei Länder, die weltweit am stärksten von Wasserknappheit betroffen seien und dessen Bevölkerung auch durch Flüchtlinge aus Syrien von 5,6 Millionen 2006 um fast 70 Prozent auf 9,5 Millionen (2016) gewachsen sei. Das Team sei interdisziplinär in der Wissenschaft, beratend in der Wirtschaft, vermittelnd in der Politik, informierend in der Gesellschaft und zupackend in der praktischen Umsetzung aktiv geworden.
Wassermangel eine zentrale Fluchtursache
Mit den dezentralen, flexiblen Abwassersystemen, die bestehende Systeme ergänzen würden, werde das Abwasser am Entstehungsort behandelt, das Grundwasser vor Abwasserverunreinigungen geschützt und als Trinkwasserressource gesichert. Das sei nur möglich geworden durch das Überwinden der Grenzen zwischen Natur-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften, vor allem aber zwischen Forschung und Praxis. Das sei wesentlich, weil weltweit mindestens zwei Milliarden Menschen Trinkwasser nutzten, das mit Fäkalien verunreinigt sei. Neben Armut, wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und mangelnder politischer Teilhabe seien schwierige Lebensbedingungen einschließlich des Wassermangels eine zentrale Fluchtursache.
Zum Hintergrund: Mit dem 2018 zum 26. Mal verliehenen Deutschen Umweltpreis der DBU – dem unabhängigen, mit 500.000 Euro höchstdotierten Umweltpreis Europas – werden Leistungen von Personen ausgezeichnet, die vorbildlich zum Schutz und Erhalt der Umwelt beigetragen haben oder in Zukunft zu einer deutlichen Umweltentlastung beitragen werden. Es können Projekte, Maßnahmen oder Lebensleistungen einer Person prämiert werden. Kandidaten für den Deutschen Umweltpreis werden der DBU vorgeschlagen. Berechtigt dazu sind etwa Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Kirchen, Umwelt- und Naturschutzverbände, wissenschaftliche Vereinigungen und Forschungsgemeinschaften, Medien, das Handwerk und Wirtschaftsverbände. Selbstvorschläge sind nicht möglich. Eine vom DBU-Kuratorium ernannte Jury, besetzt mit unabhängigen und herausragenden Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und gesellschaftlichen Gruppen, empfiehlt dem DBU-Kuratorium die Preisträger für das jeweilige Jahr.