Die Nahrungsmittelproduktion verdoppeln, Wasser sparen und gleichzeitig die Kohlenstoffspeicherung erhöhen – das klingt paradox, wäre aber, zumindest nach dem biophysikalischen Potenzial der Erde, theoretisch möglich. Nötig wäre allerdings eine radikale räumliche Neuordnung in der Landnutzung. Das haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT), einem An-Institut der Universität Heidelberg, herausgefunden.
Wie Menschen die Erdoberfläche nutzen, einschließlich für die Produktion von Nahrungsmitteln, hat sich in den vergangenen Jahrhunderten stark verändert. Immer mehr Menschen leben auf der Erde, mehr Nahrung wird benötigt und Lebensmittel können heute in kurzer Zeit rund um die Welt transportiert werden. Die historisch gewachsenen Systeme der Nahrungsmittelproduktion spiegeln, wie sich in der Studie zeigt, allerdings nicht das biophysikalische Potenzial unserer Ökosysteme wider. Lebensmittel werden demnach nicht dort produziert, wo es flächen-, wasser- und CO2-technisch am effizientesten wäre. Stattdessen werden, so die Autorinnen und Autoren der Studie, weiterhin Wälder für Acker- und Weideland gerodet und Felder in ariden Gebieten bewässert – Maßnahmen, die sich massiv negativ auf die Wasserverfügbarkeit und die Kohlenstoffspeicherung auswirkten.
Was würde aber passieren, wenn Felder, Weiden und natürliche Vegetation stattdessen dorthin verlagert würden, wo es am effizientesten wäre? Wenn Ackerflächen auf Gebiete beschränkt würden, in denen keine intensive Bewässerung nötig ist? Um das herauszufinden, haben Forschende des KIT und des Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT), einem An-Institut der Universität Heidelberg, ein dynamisches Vegetationsmodell mit einem Optimierungsalgorithmus kombiniert und so alternative Anordnungen der globalen Landnutzung und deren Auswirkungen untersucht.
80 Prozent mehr Nahrung und drei Prozent mehr CO2-Speicherung durch Optimieren der Landnutzung
Die Modellierung einer verbesserten Landnutzung wurde für Klimabedingungen aus einem optimistischen und einem derzeit realistischeren Klimawandelszenario für die nahe und ferne Zukunft (2033 bis 2042 und 2090 bis 2099) durchgeführt. Das Ergebnis: Allein durch räumliche Umstrukturierung ließe sich die Produktion von Lebensmitteln um durchschnittlich 83 Prozent erhöhen, während gleichzeitig die zur Verfügung stehende Wassermenge um acht Prozent und die CO2-Speicherung um drei Prozent zunehmen würden. Die Steigerungen wären noch um ein Vielfaches höher, wenn einer der drei Zielgrößen Vorrang vor den anderen beiden eingeräumt würde.
„In unserer Arbeit untersuchen wir ausschließlich das biophysikalische Potenzial als Grundlage einer Landnutzung, welche die bestehenden Zielkonflikte besser berücksichtigt“, sagt die Erstautorin der Studie, Dr. Anita Bayer vom Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen. „Es zeigt sich, dass es durchaus Regionen gibt, in denen bestimmte Landnutzungen eindeutig vorteilhaft, also ‚optimal‘, wären.“ Entsprechend der Studienergebnisse müssten tropische und boreale Wälder aufgrund ihrer herausragenden Funktion als CO2-Speicher in ihrem natürlichen Zustand erhalten oder entsprechend wiederaufgeforstet und nicht als Anbau- oder Weidefläche genutzt werden. Die gemäßigten Breiten würden hauptsächlich als Ackerland und in einem geringen Umfang als Weideland dienen. Damit würde der Flächenverlust durch die Wiederaufforstung tropischer und borealer Wälder kompensiert werden. Die weiten, offenen Flächen der tropischen und subtropischen Savannen und Grasländer wiederum würden vor allem als Weideland und für die Futtermittelproduktion genutzt. „Dieses Bild der optimalen Landnutzungslösungen hat sich in unserer Arbeit als sehr stabil herausgestellt“, fügt Bayer hinzu.
Veränderung der Landnutzung bewusst gestalten
Die Studie zeigt, dass die regionale Praxis vom theoretisch erreichbaren Optimum stark abweicht und massive Landnutzungsänderungen nötig wären, um das biophysikalische Potenzial besser auszunutzen und so die Gesamterträge an Nahrungsmitteln, Wasser und Kohlenstoffspeicherung gemeinsam zu erhöhen. „Auch wenn solche großflächigen Landnutzungsänderungen auf den ersten Blick völlig unrealistisch erscheinen, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass der Klimawandel ohnehin große Veränderungen der Anbaugebiete mit sich bringen wird“, sagt Professor Sven Lautenbach, Wissenschaftler am HeiGIT und dem Geographischen Institut der Universität Heidelberg. „Diese zu erwartenden Veränderungen sollte man nicht einfach geschehen lassen, sondern vermehrt versuchen, sie unter Berücksichtigung des biophysikalischen Potenzials zu gestalten.”
„Die Sicherstellung der weltweiten Ernährungssicherung ist eine der Hauptherausforderungen unserer Zeit – und der Klimawandel wird dieses Problem in vielen Regionen noch vergrößern“, sagt Professorin Almut Arneth vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung, dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass es trotz ungünstiger klimatischer Veränderungen Potenziale gibt, durch eine optimierte Landnutzung die landwirtschaftlichen Erträge deutlich zu steigern und gleichzeitig den Flächenverbrauch zu begrenzen. Es gilt jetzt Wege zu finden, wie wir unsere Landnutzung – unter Berücksichtigung der biophysikalischen Gegebenheiten, aber eben auch unter sozialen Gesichtspunkten – entsprechend verändern können.“ .