Zwei aktuelle wissenschaftliche Studien unter der Leitung von Dr. Paul Wilcox vom Institut für Geologie an der Universität Innsbruck liefern neue Einblicke in die Dynamik des Erdklimas und fokussieren auf das El Niño-Phänomen. Die Ergebnisse zeigen, wie El Niño über längere Zeiträume auf natürliche Faktoren reagiert und unterstreichen die wachsende Rolle menschlicher Aktivitäten bei der Formung dieses klimatischen Phänomens seit den 1970er Jahren.
El Niño bezeichnet die warme Phase des El Niño/Southern Oscillation-Phänomens (ENSO), einem der wichtigsten Klimaphänomene, das alle vier bis sieben Jahre auftritt und mit teils katastrophalen Wetterereignissen in Verbindung steht. ENSO umfasst die zyklischen Schwankungen der Oberflächentemperaturen des Meeres, die zwischen warmen El Niño und kalten La Niña Phasen im äquatorialen Pazifik oszillieren. Vor dem Hintergrund stetiger klimatischer Veränderungen gewinnt das Verständnis darüber, wie El Niño auf natürliche und menschengemachte Einflüsse reagiert, zunehmend an Bedeutung.
El Niños Reaktion entschlüsseln
Im Fachmagazin Geophysical Research Letters untersuchte Paul Wilcox von der Arbeitsgruppe für Quartärforschung unter der Leitung von Christoph Spötl, wie El Niño über lange Zeiträume auf natürliche Einflüsse reagiert. Als Grundlage dafür dienten Höhlenablagerungen, sogenannte Speläotheme, aus einer Höhle im südöstlichen Alaska. Damit rekonstruierten die Forscher:innen die dortigen klimatischen Bedingungen über den Zeitraum der letzten 3500 Jahre. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass sich die Steuerungsprozesse der El Niño-Variabilität ab den 1970er Jahren verändert haben.
„Bis vor etwa 50 Jahren spielten Änderungen der Sonneneinstrahlung eine bedeutende Rolle bei der Formung von El Niño-Mustern. Ab den 1970er Jahren sehen wir aber klare Signale, die nur den Folgen des menschengemachten Klimawandels zugeschrieben werden können“, erklärt Paul Wilcox.
Neues Konzept: „Walker Switch“
In der zweiten Studie, veröffentlicht in The Innovation Geoscience, fokussierte Wilcox auf die Untersuchung von klimatischen Entwicklungen im südöstlichen Alaska über einen Zeitraum von 13.500 Jahren. Anhand von Speläothemen analysierte das Team die Ursache für rasche, kurzfristige Klimaänderungen, die während der Eiszeiten dort auftraten. Trotz seines hohen nördlichen Breitengrades zeigte das südöstliche Alaska ein Klimamuster, das an das des äquatorialen Pazifiks während des Endes der letzten Eiszeit und des Holozäns erinnert. Dies steht im Widerspruch zum etablierten Konzept der „Tropischen Warmwasserwippe“, die den Nordatlantik als Hauptquelle für globale Klimavariabilität sieht. Anstelle dieses Mechanismus schlagen Paul Wilcox und sein Team das Konzept des „Walker Switch“ vor.
Dieser Mechanismus, ausgelöst durch Veränderungen in der Sonneneinstrahlung (Insolation), bewirkt schnelle Anpassungen der Meeresoberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik und beeinflusst anschließend Klimamuster in hohen nördlichen Breitengraden, einschließlich Alaska und dem Nordatlantik. „Das Konzept des ‚Walker Switch‘ hilft uns, das komplexe Zusammenspiel jener Faktoren besser zu verstehen, die die Klimadynamik in diesen Regionen gesteuert haben.“
Die Ergebnisse beider Studien zeigen eine Veränderung in den El Niño-Mustern, bei der der Einfluss des menschengemachten Klimawandels deutlich zum Tragen kommt. „Der menschliche Einfluss könnte dazu geführt haben, dass in den 1970er Jahren ein klimatischer Wendepunkt überschritten wurde – mit dem Beginn eines beständigeren El Niño-Musters. Gleichzeitig bietet das Konzept des ‚Walker Switch‘ eine neue Erklärung für historische Klimaschwankungen“, sagt Paul Wilcox. Ausgelöst durch Veränderungen in der Sonneneinstrahlung beeinflusst der „Walker Switch“ Klimamuster weltweit, einschließlich der hohen nördlichen Breitengrade. Diese Erkenntnisse betonen die dynamische Komplexität des Erdklimasystems und unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschung, um das Verständnis von Klimaprozessen zu vertiefen.