Forschung zur Hochskalieren von Technologien zur CO₂-Entnahme

Foto: DieLinde
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Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz ab 30. November stellt sich die Frage: Verbreitet sich Klima-Technologie schnell genug mit Blick auf das Ziel des Paris-Abkommens, die Erderhitzung auf unter 2 und möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen? Was das Feld der CO₂-Entnahmen aus der Atmosphäre angeht, geben zwei neue Studien Orientierung. Sie wurden mitverfasst vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change), geleitet von der University of Wisconsin-Madison in den USA und veröffentlicht in renommierten Fachzeitschriften: eine in Communications, Earth & Environment und eine in Joule.

Laut der Studie in Communications, Earth & Environment entspricht das erforderliche Entwicklungstempo der CO₂-Entnahmetechnologien, die beim Bekämpfen der Klimakrise wichtig werden, dem Tempo bei vergleichbaren Entwicklungen im letzten Jahrhundert. Das Forschungsteam nutzt erstmals den Datensatz von „Historical Adoption of TeCHnology“ (HATCH): ein innovatives Projekt, das viele früher eingeführte Technologien für Landwirtschaft, Industrie und Privathaushalte erfasst und analysiert. Ausgehend davon liefert das Projekt Erkenntnisse zur künftigen Ausbreitung von Technologien etwa zur CO₂-Entnahme.

Die Studie analysiert zurück bis ins frühe 20. Jahrhundert das Entstehen und das Wachstum von 148 Technologien in elf Kategorien. Sie gleicht das ab mit vom Weltlimarat IPCC erstellten Modellszenarien zu CO₂-Entnahmen sowie mit Ankündigungen von Firmen zu Ausbauplänen und Entnahmezielen in politischen Ankündigungen. Demnach liegt das laut der Szenarien erforderliche Ausbautempo solcher Technologien innerhalb der Bandbreite bei früheren Entwicklungen. Ansagen von Wirtschaft und Politik hingegen implizieren viel schnelleres Wachstum, als es die historische Erfahrung hergibt.

Die Joule-Studie befasst sich ebenfalls mit der Perspektive des Hochskalierens. Sie resümiert, dass neuartige Technologien zur CO₂-Entnahme viel schneller als bisher verbreitet werden müssen, um dem Paris-Abkommens gerecht zu werden. Dazu müssen im Laufe dieses Jahrhunderts hunderte Gigatonnen CO₂ entfernt werden. Beispiele für konventionelle Methoden sind Wiederaufforstung, Renaturierung von Feuchtgebieten und bessere Waldbewirtschaftung. Alle anderen Methoden, bislang nur in kleinem Maßstab angewandt, werden als „neuartiges CDR“ bezeichnet (für carbon dioxide removal, also CO₂-Entnahme). Beispiele sind große Luftfilter-Anlagen („Direct Air Capture“), die Kombination aus Klimaplantagen und Biomasse-Kraftwerken mit Abscheiden und unterirdischem Verpressen von CO₂, ferner das Speichern von CO₂ in Biokohle. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit etwa 2 Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr abgetrennt werden, wovon fast alles auf die Forstwirtschaft entfällt und nur 0,1 Prozent auf neuartiges CDR. Aber praktisch alle Szenarien, die die Erderhitzung auf 1,5 oder 2 Grad Celsius begrenzen, erfordern neuartiges CDR: Im Schnitt erfordern sie einen Anstieg um das 1300-Fache bis zum Jahr 2050.

Das Forschungsteam befasst sich mit der formativen Phase von Technologien, von der ersten Kommerzialisierung bis zur schnellen Verbreitung. „Wenn Luftfiltersysteme und andere neuartige Methoden der CO₂-Entnahme klimarelevant werden sollen, muss die formative Phase ein mindestens so hohes Aktivitätsniveau haben wie bei den schnellsten historischen Pendants“, sagt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und ein Co-Autor beider Studien. „Dies erfordert ein ernsthafteres Engagement für diese Technologien als derzeit. Das erforderliche Level ist nur erreichbar, wenn wir hier binnen 15 Jahren eine substanzielle Herausbildung der formativen Phase sehen.“

Gregory Nemet, Professor an der La Follette School of Public Affairs an der University of Wisconsin-Madison und Leitautor beider Studien, betont: „Das für die Ziele von 2 und 1,5 Grad erforderliche Hochskalieren der CO₂-Entnahmen liegt zwar am oberen Ende, aber noch innerhalb der Bandbreite der historischen Erfahrungen. Wir können aus diesen Erfahrungen lernen – um die CO₂-Entnahmen in den nächsten drei Jahrzehnten auf eine klimarelevante Größenordnung zu bringen.“