Zukunftstechnologien zur CO2-Reduzierung und -Entfernung wecken große Hoffnungen im Kampf gegen den Klimawandel. Ihr Potenzial dürfe allerdings nicht als Rechtfertigung für Untätigkeit bei der Reduzierung fossiler Brennstoffe dienen, warnen Forschende in einem neuen RIFS Policy Brief. Die Politik müsse sich der Realität stellen, dass das Netto-Null-Ziel nur mit einer tiefgreifenden und raschen Verringerung der Kohlendioxidemissionen erreicht werden kann. Das erfordere einen fast vollständigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.
„Die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels werden immer besser verstanden. Trotzdem gibt es noch keinen politischen Konsens über die Notwendigkeit, fossile Energieträgern schrittweise zu reduzieren, geschweige denn ganz auszusteigen. Dies sollte Anlass zu ernster Besorgnis sein“, kommentiert Erstautorin Kathleen A. Mar, die das Policy Brief zusammen mit den Forschenden Charlotte Unger und Stefan Schäfer sowie dem wissenschaftlichen Direktor des RIFS, Mark G. Lawrence, verfasst hat. Stattdessen behaupten viele politische Entscheidungsträger und Industrievertreter, dass das Problem der Treibhausgasemissionen durch den Ausbau von Technologien zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre oder zur Abscheidung von Kohlendioxid aus Emissionsquellen bewältigt werden kann, ohne auf fossile Brennstoffe als Energiequelle verzichten zu müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall: Derzeit können diese Technologien nur einen Bruchteil der derzeitigen Emissionen kompensieren.
„Eine erhebliche Ausweitung der Kohlendioxidabscheidung und der Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung in einem Umfang, der die fortgesetzte Nutzung fossiler Brennstoffe auf oder über dem derzeitigen Niveau kompensieren könnte – und zwar so schnell, dass erhebliche irreversible Klimaveränderungen verhindert werden – ist äußerst unwahrscheinlich“, erklärt Mar, Leiterin der RIFS-Forschungsgruppe für Klimamaßnahmen in nationalen und internationalen Prozessen (ClimAct). In Anbetracht dessen könnten diese Technologien nur dann zum Klimaschutz beitragen, wenn sie mit tiefgreifenden Emissionssenkungen verbunden werden – und diese können nur durch die Abkehr von fossilen Brennstoffen erreicht werden.
Das Policy Brief befasst sich auch mit den Bemühungen, auf der COP28 eine Vereinbarung über die Verdreifachung der Kapazitäten für erneuerbare Energien bis 2030 zu erreichen. Dies sei ein lobenswertes Ziel, und wenn es erreicht wird, könne es zu Recht als Erfolg gelten. Kathleen Mar ist jedoch skeptisch: „Meine Erwartung ist, dass die Verhandlungsführer auf der COP28 zu einer Einigung über den Ausbau der erneuerbaren Energien kommen, aber die Konferenz ohne eine Einigung über den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen enden wird. Das liegt unter anderem an der wirtschaftlichen und politischen Macht, die die Industrie für fossile Brennstoffe immer noch hat. Leider wird uns der Erneuerbaren-Ausbau ohne den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen nicht auf den richtigen Weg bringen, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen.“
Mark G. Lawrence, Ko-Autor und wissenschaftlicher Direktor des RIFS, erläutert: „Zwar ist es einigen Ländern gelungen, einen Teil ihres fossilen Energieverbrauchs durch erneuerbare Energien zu ersetzen, doch global gesehen haben die erneuerbaren Energien die fossilen Brennstoffe eher ergänzt als sie zu ersetzen. Und obwohl dies sicherlich einem noch schnelleren Ausbau der fossilen Brennstoffe vorzuziehen ist, bringt es uns nicht auf den Weg, die globale Erwärmung auf 1,5°C oder 2°C zu begrenzen.“
Die Forschenden des RIFS argumentieren, dass die Konzentration auf technologische Lösungen für die Klimakrise nicht nur die Notwendigkeit des Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Brennstoffe in den Hintergrund drängt, sondern auch auf Kosten eines konzertierten und entschlossenen Handelns geht, das die Gesellschaft auf einen Pfad der nachhaltigen Entwicklung führt. Das Policy Brief weist darauf hin, dass zur Erreichung unserer Klimaziele und der allgemeinen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung Veränderungen erforderlich sind, die über die Energiesysteme hinausgehen. Nötig sei eine Neukonzeption der Strukturen und Institutionen, die unter anderem unseren Konsum-, Mobilitäts- und Lebensmittelproduktionsmustern zugrunde liegen.