Südafrika könnte als sicherer Produzent für grünen Wasserstoff – auch als Lieferant für Deutschland – in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen. Herausforderungen gibt es aktuell jedoch bei der Speicherung und Verteilung des Rohstoffs. Hier knüpft das kürzlich gestartete Fraunhofer-Verbundprojekt »HySecunda« an, in dem neun Fraunhofer-Institute sowie die Fraunhofer Academy kooperieren. Im Projekt sollen optimierte Lösungen zur Herstellung, Speicherung und Zertifizierung von grünem Wasserstoff gefunden werden. Zudem unterstützt das Konsortium beim Capacity Building in der Region und in aktuellen Projekten zu Wasserstoff-basierten Treibstoffen für die Luftfahrt.
Südafrika verfügt über reichlich erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind, die genutzt werden können, um sauberen und nachhaltigen Wasserstoff zu produzieren. Für Deutschland und Europa könnte das Land somit zukünftig eine wichtige Rolle als Wasserstoffproduzent einnehmen, wenn geeignete Infrastrukturen für die Wasserstoffspeicherung und -verteilung entwickelt werden sowie Produktionskosten gesenkt werden können, um wettbewerbsfähig zu sein.
Hier setzt das Verbundprojekt HySecunda an, in dem die Fraunhofer-Institute für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, Keramische Technologien und Systeme IKTS, Silicatforschung ISC, Schicht- und Oberflächentechnik IST, Windenergiesysteme IWES, System- und Innovationsforschung ISI, Solare Energiesysteme ISE sowie die Fraunhofer Academy für einen Zeitraum von drei Jahren praxisrelevante und skalierbare Lösungen zur grünen Wasserstoffproduktion in Südafrika entwickeln. Im Rahmen des Projekts werden Lösungen für Capacity Building umgesetzt, etwa durch ein Aus- und Weiterbildungskonzept, das die länderspezifischen Bedarfe der 16 Staaten umfassenden Southern African Development Community (SADC-Region) adressiert.
Markt- und systemgerechte Lösungen für die Zertifizierung von grünem Wasserstoff
Ein zentrales Thema für HySecunda sind zudem markt- und systemgerechte Lösungen für die Zertifizierung von grünem Wasserstoff und seine Derivate. Dabei unterstützen energiesystemische und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für Erzeugung, Versorgungsketten und Einsatzmöglichkeiten in der Industrie, die Risiken ebenso wie notwendige Rahmenbedingungen frühzeitig aufzeigen. Diese sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommerzialisierung und den Import nach Deutschland und Europa.
Auf technologischer Ebene unterstützen die Fraunhofer-Institute in vier Schwerpunkten:
• Die Entwicklung neuartiger Sensorik, die beispielsweise ein besseres Aufspüren von Lecks in Tanks und Leitungen sowie ein frühzeitiges Erkennen von Korrosions- und Alterungsvorgängen möglich machen soll.
• Neuartige kombinierte Sauerstoff-/Wasserstoff-Barriereschichten. Solche Schichten verhindern das Eindringen von Sauerstoff und Wasserstoff in jeweils andere Teile der Elektrolysezelle oder in die Umgebung. Verbesserte Lösungen steigern somit die Lebensdauer und Sicherheit der eingesetzten Komponenten.
• Kostengünstigere Beschichtungen für Bipolarplatten (BPP). Solche Platten dienen als leitfähige Trennwände zwischen den einzelnen Zellen. Wegen der extremen Anforderungen an diese Komponenten (Temperatur, Druck, elektrische Spannung, korrosive Bedingungen) werden BPP meist aus Titan, Graphit, Stahl oder Edelstahl gefertigt und die Oberfläche wird zusätzlich mit Edelmetallen wie Gold oder Platin beschichtet. Hier will das Konsortium kostengünstigere Lösungen erproben, die den extremen Betriebsbedingungen gewachsen sind und die nötige Langzeitstabilität bieten.
• Optimierte Lösungen für poröse Transportschichten (PTL). Diese unterstützen den effizienten Transport von Gasen, Flüssigkeiten und Ionen in der Elektrolysezelle und werden zwischen der Elektrode und der Bipolarplatte platziert. Optimierte PTL-Lösungen können die Effizienz der Reaktion erheblich steigern.
Beitrag zur Energiesicherheit in Deutschland und Europa
»Wir wollen Fraunhofer-Kompetenzen einbringen, um einerseits einen Beitrag zur Energiesicherheit in Deutschland und Europa zu leisten und andererseits langfristige Kooperationen mit der SADC-Region aufzubauen, durch die Wertschöpfung vor Ort möglich wird«, sagt Prof. Mario Ragwitz, Co-Sprecher des Strategischen Forschungsfelds Wasserstofftechnologien in der Fraunhofer-Gesellschaft. So wird das HySecunda-Konsortium eng mit Partnern aus dem industriellen Projekt HyShiFT zusammenarbeiten, das die Wasserstoff-basierte Herstellung von grünen Flugkraftstoffen zum Ziel hat und dabei ebenfalls auf die Möglichkeiten in Südafrika setzt. Die HySecunda-Partner, die sich zu einem Kickoff am 29. und 30. November 2023 in Halle (Saale) trafen, bieten hier komplementäre Kompetenzen und Ansätze. »Das ist ein gutes Beispiel, wie unser Konsortium andere Projekte in der Region begleiten und empowern kann«, sagt Ragwitz.
»Für uns ist das HySecunda-Projekt ein ganz wichtiger Meilenstein für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten. Wir freuen uns sehr, mit den Kompetenzen von neun verschiedenen Fraunhofer-Instituten die Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff und synthetischen Energieträgern im südafrikanischen Raum zu unterstützen«, sagt Dr. Klemens Ilse, Gruppenleiter Materialdiagnostik für H2-Technologien am im Projekt federführenden Fraunhofer IMWS.
Barriereschichen und Wasserstoffsensorik
Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC ist im Projekt HySecunda federführend bei der Entwicklung von Barriereschichten auf ORMOCER®-Basis und ausfallsicheren Wasserstoffsensoren, um die Herstellung, Lagerung, Transport und Nutzung von grünem Wasserstoff effizient und sicher zu machen. So sollen beispielsweise ORMOCER®-Barriereschichten die Lebensdauer der Behälter bei der Wasserelektrolyse erhöhen. Auch neue Materialkonzepte für Drucktanks zur Lagerung von Wasserstoff und die H₂/O₂ dichte Beschichtung von Pipelines gehören zu den Aufgaben des Fraunhofer ISC. Darüber hinaus wird bei der Gewinnung, Lagerung, dem Transport und der Nutzung von Wasserstoff die einfache, sichere und sofortige Erkennung von Leckagen notwendig sein, um die Sicherheit zu gewährleisten. Dafür werden am Fraunhofer ISC stromfreie Sensoren entwickelt, die durch einfachen Farbumschlag vorhandene oder frühere Wasserstoffleckagen sofort und ohne weitere Hilfsmittel erkennen lassen.