Was kostet Klimaschutz die privaten Haushalte? Ein wissenschaftlich fundiertes, aber einfach zu bedienendes Rechentool im Internet sorgt jetzt dafür, dass jeder Mensch, der des Englischen mächtig ist, bei dieser wichtigen Frage kompetent mitreden kann. Der „Carbon Pricing Incidence Calculator“ zeigt, was in den Haushaltskassen passiert, wenn der Staat fossile Brennstoffe verteuert und die dadurch entstehenden Einnahmen ganz oder teilweise an die Bevölkerung zurückverteilt. Der Rechner wurde entwickelt vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und steht kostenlos bereit zur Nutzung mit Computer oder Smartphone.
–> Die Web-Anwendung „Carbon Pricing Incidence Calculator“ des MCC findet sich hier: https://www.cpic-global.net
„Über die sozialen Folgen von Klimapolitik wird viel diskutiert, in Industrieländern und zunehmend auch in den ärmeren Ländern im globalen Süden“, sagt Jan Steckel, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung, der mit seinem Team diese beispiellose Web-Anwendung geschaffen hat. „Bisweilen wird in der politischen Auseinandersetzung polemisch und mit wenig Bezug zu den Fakten argumentiert. Unser Online-Rechner macht die empirische Wirklichkeit sichtbar und für alle im gesellschaftlichen Diskurs nutzbar. Er leistet Aufklärungsarbeit in Zeiten der Desinformation.“
Das Rechentool, das das MCC heute auf der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai der Öffentlichkeit vorgestellt hat, ist gefüttert mit empirischen Daten für 1,5 Millionen repräsentativ ausgewählte private Haushalte in 87 Ländern der Erde. Sie stehen stellvertretend für fünf Milliarden Menschen, das entspricht 65 Prozent der Weltbevölkerung. Der Rechner „weiß“ nicht nur aus den nationalen statistischen Erhebungen, wofür die privaten Haushalte in diesen Ländern ihr Geld ausgeben – sondern gestützt auf ein sogenanntes Input-Output-Modell sind auch die spezifischen CO₂-Emissionen hinterlegt, die in jedem einzelnen Ausgabenposten stecken: sowohl direkt (etwa in Sprit, Heizöl oder Erdgas) als auch indirekt (in der Herstellung der diversen Konsumprodukte).
Die Nutzung des Rechners ist einfach: Bei „Choose your country“ scrollt man auf dem Bildschirm ganz einfach auf eines der 87 Länder – und sagt dem Rechner dann in drei Schritten, was er ausspucken soll. Unter „Population“ stellt man ein, was man vergleichen möchte: etwa Arm und Reich, Stadt und Land, Familien oder Singles. Bei „Carbon Price“ geht es um die konkrete Politikmaßnahme, mit der der Staat die Brennstoffe verteuert, sowie um die Dosierung. Und bei „Compensation“ kann man festlegen, welchen Anteil der dadurch entstehenden Mehreinnahmen der Staat an die Bevölkerung zurückverteilen soll und wie dieser soziale Ausgleich erfolgen soll, etwa über Pro-Kopf-Zahlungen, günstigen Strom oder Steuersenkungen. Variieren lässt sich auch die Anzeige der Ergebnisse: ob in Prozent der Haushaltsausgaben oder als Absolutbetrag, ob als Durchschnittswert oder als statistische Verteilung.
Im Ergebnis zeigt sich die Attraktivität der CO₂-Bepreisung als Leitinstrument der Klimapolitik. Zwar ist sie für sich genommen oft besonders schwer für Ärmere zu schultern, die besonders viel von ihrem Einkommen für Energie ausgeben. Doch flankierende Politik kann die einkommensschwachen Haushalte sogar unterm Strich besserstellen. „Hier kann man es durchspielen, wie unterschiedlich CO₂-Bepreisung je nach Umfeld und Ausgestaltung wirkt“, sagt MCC-Politik-Analystin Tessa Schiefer, die das Tool mit entwickelt hat. „Nicht selten gibt es das größte Gefälle innerhalb von Einkommensgruppen statt zwischen ihnen. Sozial ausbalancierter Klimaschutz, der auch Härtefällen hilft und niemanden zurücklässt, sieht von Land zu Land verschieden aus. Aber er ist machbar.“