Sie sind winzig klein, enorm vielfältig und im Erdboden weit verbreitet: wirbellose Bodenlebewesen wie Springschwänze, Hornmilben, Tausendfüßer oder Fadenwürmer. Im Ökosystem Boden übernehmen die oft nur unter dem Mikroskop sichtbaren Tiere wichtige Aufgaben. Daher rücken sie auch zunehmend in den Blickpunkt von behördlichen Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im Boden. Doch durch welche Eigenschaften und Fähigkeiten genau zeichnen sich die einzelnen Arten aus, welche Informationen gibt ihr Erbgut preis und wie haben sie sich im Laufe der Evolution entwickelt? Mit dem Projekt „MetaInvert“ stellt ein internationales Team von Wissenschaftlern umfangreiche genomische Daten zu 232 Arten dieser bisher wenig erforschten Organismen bereit. Die Informationen tragen erheblich zur Identifizierung sowie zum Wissen über Zusammensetzung und Funktion von Gemeinschaften und die Entdeckung evolutionärer Anpassungen an Umweltbedingungen bei.
Für die Gesundheit des Erdbodens ist ihre Leistung unerlässlich: Heerscharen von kleinen vielzelligen, aber wirbellosen Tieren zersetzen unermüdlich organisches Material, regulieren die Aktivität von Mikroorganismen und befördern den Kreislauf von Nährstoffen und die Speicherung von Wasser. Damit tragen sie nicht zuletzt zur Produktion von Nahrungsmitteln für uns Menschen bei. Doch so wichtig – und inzwischen auch in ihrer Bedeutung für den Boden anerkannt – Bodentiere auch sind; ihre umfassende Erforschung steht noch aus. Hier setzt das Projekt „Metagenomic monitoring of soil communities (MetaInvert)“ an, das am hessischen LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) entwickelt wurde und an dem sich neben TBG- und Senckenberg-Wissenschaftler auch Forschende aus Frankreich, Spanien und Schweden beteiligen.
In einer Studie beschreiben sie ihren Ansatz und die von ihnen angewendeten neuen Methoden der Genomik. „Die wirbellosen Bodenlebewesen sind aufgrund ihrer mikroskopisch kleinen Größe und ihrer unglaublichen Vielfalt schwer zu erfassen. Wir vermuten, dass es weltweit noch Hunderttausende unbeschriebener Arten gibt. Neue genomische Analysemethoden ermöglichen nun ganz neue Einblicke“, berichtet Studienleiter Miklós Bálint, Professor für Funktionale Umweltgenomik am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, der Justus-Liebig-Universität Gießen und Co-Sprecher bei LOEWE-TBG.
Die Wissenschaftler setzen vor allem auf Methoden der Metagenomik und Metatranskriptomik. „Während DNA- und RNA-basierte Methoden bereits seit langem zur Unterstützung der traditionellen Taxonomie und ökologischer Studien in schwierig zu analysierenden Organismengruppen angewendet werden, sequenzieren wir mit der ‚Shotgun Metagenomik‘ DNA-Fragmente aus einer Probe nach dem Zufallsprinzip. Da sie alle vorhandenen genomischen Informationen zur taxonomischen Identifizierung nutzen kann, stellt sie einen zunehmend praktikablen Ansatz dar, um das Vorhandensein höherer Lebewesen mit Zellkern, sogenannter Eukaryoten, zu erfassen“, erläutert Bálint.
Mittels Metatranskriptomik werden wiederum Gene aufgespürt, die aktiv in Ribonukleinsäuren (RNA) als wichtige Informations- und Funktionsträger einer Zelle umgeschrieben werden und somit laufende biologische Prozesse steuern. Dies gibt Aufschluss über die Stoffwechselaktivität der Mitglieder der Bodengemeinschaft und über funktionelle Veränderungen in diesen Gemeinschaften.
Umfassende Genomsammlungen und -datenbanken bilden laut der Studienautor*innen gewissermaßen das „Rückgrat“ dieser beiden Methoden. „Im Rahmen unserer Studie haben wir mit der genomischen Analyse der 232 unterschiedlichen Arten nun eine große genomische Ressource geschaffen, um Einblicke in die Struktur, die Aktivität und die Funktionsweise von Gemeinschaften wirbelloser Bodenbewohner zu gewinnen. Darüber hinaus konnten wir bestätigen, dass Theorien zur Genomevolution nicht über evolutionär unterschiedliche Wirbellosengruppen hinweg verallgemeinert werden können“, so Bálint.
Mit ihren Ergebnissen wollen die Autoren dazu beitragen, das Verständnis und den Schutz der biologischen Vielfalt im Boden zu stärken. Die neuen Erkenntnisse und Methoden ermöglichen laut der Studie ein detaillierteres Monitoring sowohl der Zusammensetzung als auch der Funktion von Gemeinschaften. Zudem könnten evolutionäre Anpassungen an veränderte Bodenbedingungen nachvollzogen werden.