Das Leben in einer sich erwärmenden Welt erfordert sowohl bei uns Menschen als auch in der Tier- und Pflanzenwelt Anpassungen an die sich wandelnden jährlichen Temperaturverläufe. Verbreitungsgebiete verändern sich und die Aktivitätsphasen zahlreicher Arten verschieben sich im Jahreszyklus. In einer nun im Fachjournal „Global Change Biology“ erschienenen Studie zeigen Wissenschaftler aus Österreich, Polen und Deutschland – unter ihnen Senckenberg-Entomologe Prof. Dr. Thomas Schmitt – anhand eines Langzeitdatensatzes aus dem Norden Österreichs, dass viele Schmetterlingsarten zwei oder sogar drei Wochen früher zu flattern beginnen.
Der globale Klimawandel wird auch in Europa immer spür- und sichtbarer. „Der Frühling beginnt bei uns mittlerweile deutlich früher, die Vegetationsperiode endet dagegen später im Jahr. Das hat massive Auswirkungen auf die europäische Fauna und Flora“, erklärt Prof. Dr. Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut Müncheberg (SDEI) und von der Universität Potsdam. „In unserer aktuellen Studie zeigen wir, dass viele Schmetterlingsarten immer früher im Jahr gesichtet werden“, ergänzt Prof. Dr. Jan-Christian Habel von der Universität Salzburg und fährt fort: „Der Frühling und damit die Aktivitätsphasen der Tiere hat sich für zahlreiche Arten um zwei bis drei Wochen nach vorne verschoben.“
Anhand von Langzeitbeobachtungsdaten von Tag- und Nachtfaltern, die in den letzten Jahrzehnten im Norden Österreichs gesammelt wurden, haben die vier Forscher vom SDEI, der Universität Salzburg, dem Haus der Natur Salzburg sowie der Nicolaus-Copernicus-Universität Torun die phänologischen Verschiebungen im Laufe der Zeit und die Veränderungen in der Anzahl der Faltergenerationen untersucht. Insgesamt verfügte das Forschungsteam über mehr als 250.000 Einzelbelege von 2275 Schmetterlingsarten, die im Zeitraum von 1900 bis 2022 über einen Höhengradienten von 380 bis 3105 Metern gesammelt wurden.
Die Auswertungen zeigen, dass typische Frühlingstagfalter, wie der Aurorafalter (Anthocharis cardamines) oder der Kleine Kohlweißling (Pieris rapae), und früh fliegende Nachtfalterarten, wie die Variable Kätzcheneule (Orthosia incerta) früher im Jahr zu fliegen beginnen. Auch Arten, die als erwachsene Tiere überwintern, wie das Tagpfauenauge (Aglais io) oder der Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni), zeigen veränderte Flugzeiten.
In ihrer Studie kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass nicht nur viele Arten immer früher im Jahr fliegen, sondern dass auch zahlreiche Schmetterlinge die verlängerte Vegetationsperiode im Spätsommer und Herbst nutzen. „Hieraus ergeben sich längere Flugzeiten als vor den klimatischen Veränderungen. Viele Arten können deshalb heute deutlich länger im Jahr angetroffen werden als noch vor einigen Jahren. Vor allem die Ausbildung zusätzlicher Generationen verlängert die Gesamtzeit, in welcher man diese Arten im Jahr beobachten kann“, so Schmitt.
Ausschlaggebender Faktor der zeitlichen Veränderungen ist laut den Forschern die sich ändernde Temperatur. „Bedeutend ist zudem auch die Menge an Schnee, die im Winter fällt. Diese beeinflusst maßgeblich den Flugzeitbeginn im Frühjahr“, erläutert Habel und ergänzt: „Umso weniger Schnee fällt, desto früher ist dieser verschwunden – und sowohl das Frühjahr als auch die Schmetterlingsflüge können beginnen.“
Veränderungen der Schmetterlings-Flugzeiten wurden allerdings nur bis zu einer Höhe von etwa 1500 Metern festgestellt, in noch höheren Lagen gab es keine wesentlichen Abweichungen. „Hier kommt ein anderes Phänomen ins Spiel: Ab einer gewissen Höhe ist es noch immer so kalt, dass die Schneemenge mehr von der Niederschlagsmenge im Winter und nicht so sehr von der Temperatur abhängt. Da sich die Niederschlagsmenge aber nicht wesentlich verändert hat, verschwindet der Schnee in den Hochlagen nicht so viel früher wie dies in den Tälern der Fall ist“, legt Schmitt dar.
Die zeitlichen Verschiebungen der Phänologie von Schmetterlingsarten über das gesamte Jahr führen dazu, dass einige Arten inzwischen fast ganzjährig aktiv sind. Die beiden Wissenschaftler sind sich einig: „Diese Veränderungen könnten sich negativ auf Interaktionen zwischen Arten auswirken. Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Spezies – wie beispielsweise zwischen Falter und deren Futterpflanzen – haben sich über Jahrtausende etabliert und optimiert. Ein so rascher Wandel könnte zu Entkopplungen dieser Interaktionen führen – vor allem zwischen Tieren und Pflanzen. Dies kann fatale Folgen für das Fortbestehen zahlreicher Arten haben. Ein weiterer Temperaturanstieg könnte somit vor allem auf die – aktuell scheinbar noch