Nachhaltige Nutzung von organischen Reststoffen

Belastet die Umwelt: Illegales Verbrennen von Haushaltsabfällen jeglicher Art wie hier bei Viti (Republik Kosovo). Foto: Rainer Waldhardt

Wie lassen sich organische Abfälle aus Siedlungen und der Landwirtschaft nachhaltig nutzen? Mit dieser Frage beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Prishtina (Republik Kosovo) und der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) in einem binationalen transdisziplinären Projekt. Sie entwickeln am Beispiel der Kommune Viti in der Republik Kosovo Konzepte zur Nutzung von organischen Reststoffen als Bioressourcen. Die Ergebnisse sollen auch auf weitere Kommunen des Westbalkans übertragbar sein. 

In der Republik Kosovo werden organische Siedlungs- und Landwirtschaftsabfälle so entsorgt, dass dies Risiken für Mensch und Umwelt birgt – beispielsweise durch illegales Verbrennen in der Natur. Nicht nur deshalb besteht auf kommunaler Ebene Interesse an einer nachhaltigen Nutzung dieser Reststoffe. „Die Entwicklung von Konzepten und deren Umsetzung in geeigneten Formen der Kreislaufwirtschaft stellt für die lokalen Akteure große Herausforderungen dar“, so Prof. Dr. Rainer Waldhardt, Professor für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung, der das Drittmittelprojekt leitet. „Diese Herausforderungen können in partnerschaftlicher Zusammenarbeit von Kommunen und Hochschulen besser gemeistert werden.“

Im Projekt ORG-VITI arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten in Prishtina und Gießen zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Kommunalverwaltungen von Viti und der Stadt Kirchhain. Die Zusammenarbeit kommt nicht von ungefähr: Wichtige Grundlagen sind eine seit 2017 bestehende kommunale Nachhaltigkeitspartnerschaft der Kommunen Viti und Kirchhain, die seit Anfang 2023 als Städtepartnerschaft beider Kommunen vertraglich geregelt ist, sowie die seit 2012 bestehende Kooperation der beiden Universitäten. Hinzu kommt die Expertise mehrerer assoziierter Projektpartner aus beiden Ländern, darunter die Nichtregierungsorganisation „GLV Vitia“ und der Verein Region Marburger Land e.V. Zudem werden auch Schülerinnen und Schüler sowie Studierende einbezogen.

Nicht mehr zu vermarkten, aber trotzdem mehr als Abfall: Mit Pflanzenkrankheiten befallene Paprika können beispielsweise zur Energieerzeugung genutzt werden. Foto: Rainer Waldhardt

Das Team an der JLU wird für Datenerhebungen zu den Mengen und Qualitäten organischer Reststoffe in Viti sowie für chemische Analysen dieser Reststoffe zuständig sein. „Hier kann es je nach Bevölkerungs- und Landwirtschaftsstruktur zwischen Kommunen und selbst innerhalb einzelner Orte deutliche Unterschiede geben“, so Prof. Waldhardt. „Entsprechende Daten liegen auf kommunaler und örtlicher Ebene in der Republik Kosovo jedoch bislang nicht vor.“

Die dazu im Projekt erhobenen Daten bilden eine wichtige Grundlage, um passende Wege der künftigen Nutzung in Form von ressourcenschonenden Wertketten zu erarbeiten, mit denen die organischen Reststoffe als Wertstoffe auf unterschiedliche Weise genutzt werden können – beispielsweise zur Energieerzeugung, zur Herstellung von organischem Dünger oder als Futter bei der Produktion von Insektenprotein. Die im transdisziplinären Prozess dazu entwickelten Wege werden an der JLU zusammengetragen und hinsichtlich ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Effekte bewertet.

Dabei werden die zu erwartenden Umweltauswirkungen, die Kosten unter Berücksichtigung gegebenenfalls einzuwerbender Fördergelder, die Marktchancen, die finanziellen Gewinnaussichten sowie die rechtlichen Limitierungen betrachtet. Der komplexe Prozess, die Wertketten zu erarbeiten und zu priorisieren, beginnt mit dem Aufbau einer Datenbank, die das Wissen aus weltweiten Projekten zur nachhaltigen Nutzung organischer Reststoffe aus Siedlungen und Landwirtschaft bündelt, und die im Projekt laufend ergänzt wird.

Ergänzend führt die Kommune Viti einen Workshop mit Schülerinnen und Schülern aus Viti durch und die Universität Prishtina bietet gemeinsam mit Forschenden der JLU einen zweiwöchigen Kurs mit Studierenden aus der Republik Kosovo und weiteren Ländern des Westbalkans an. Die Ergebnisse dieser beiden Projektmodule werden ebenfalls in den Prozess der Erarbeitung und Priorisierung von Wertketten einfließen.

Zudem dienen sie dazu, die Wichtigkeit der nachhaltigen Nutzung organischer Reststoffe in der Republik Kosovo bekanntzumachen, denn dies wird bedeutsam für die Umsetzung und Akzeptanz entsprechender Wertketten sein. Schülerinnen und Schüler sowie Studierende sind hier wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, zudem werden sie künftig die Lebensgrundlagen ihrer Heimat gestalten.

Blick in die strukturreiche Hügellandschaft bei Viti (Republik Kosovo). Foto: Rainer Waldhardt

Die Projektbeteiligten tauschen sich auch mit potenziellen Investorinnen und Investoren zur Kreislaufwirtschaft aus und begleiten erste Schritte der Umsetzung. Dabei steht die Kommune Viti stellvertretend für Kommunen mittlerer Größe in der Republik Kosovo, die durch eine für diese Kommunen typische große Vielfalt landwirtschaftlicher Nutzungen gekennzeichnet ist. Die Ausgestaltung einzelner Wertketten wird sich daher auch auf andere Kommunen der Region übertragen lassen. Welche der möglichen Wertketten in den jeweiligen Kommunen zu bevorzugen sind, muss jedoch individuell beurteilt werden.