Auf jährlich 11,3 Milliarden Tonnen CO₂-Entnahme hat der Weltklimarat IPCC das maximale „technische Potenzial“ der sogenannten Klimaplantagen beziffert: besonders schnell wachsende Pflanzen anbauen, dadurch CO₂ aus der Luft binden und es dann beim Verfeuern der Pflanzen in Biomasse-Kraftwerken abscheiden und speichern. Und das technische Potenzial für Auf- und Wiederaufforstung liegt bei weiteren 10,1 Milliarden Tonnen jährlich. Eine Studie ergänzt diese formale Betrachtung nun durch wesentlich niedrigere „Nachhaltigkeitsgrenzen“ als Orientierungsgröße für die Politik.
Die Studie wurde mitverfasst vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und publiziert in der renommierten Fachzeitschrift Science. Um die vom Weltklimarat bezifferten insgesamt 21,4 Milliarden Tonnen CO₂ Jahr für Jahr aus der Atmosphäre zu holen – mehr als die Hälfte der derzeitigen Emissionen –, müssten sich die Klimaplantagen und zusätzlichen Wälder über rund 29 Millionen Quadratkilometer erstrecken. Das wäre dreimal so viel wie die Fläche der USA.
„Es ist offensichtlich, dass sich das keinesfalls realisieren lässt“, erklärt Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und ein Co-Autor der Studie. „Zwar ist das aus rein technischer Sicht Machbare in den Klimamodellen eine hilfreiche Information, um den maximalen Möglichkeitsraum abzubilden, etwa zum Begrenzen der Erderhitzung auf 1,5 Grad. Aber die Politik leitet daraus zunehmend einen Freibrief ab, beim CO₂-Ausstoß zu wenig zu tun und Großes lieber bei der CO₂-Entnahme zu versprechen. Die vorliegende Untersuchung setzt hier einen Kontrapunkt.“
In den nationalen Selbstverpflichtungen, die den Kern des Pariser Weltklimaabkommens bilden, haben die Regierungen für das Jahr 2060 bereits 12 Millionen Quadratkilometer für landgestützte CO₂-Entnahme reserviert. Das ist fast so viel wie die aktuelle weltweite Ackerfläche. Der Studie zufolge gefährdet das die künftige Nahrungsmittelversorgung, zudem kann es das ohnehin schon dramatische Aussterben von Tier- und Pflanzenarten beschleunigen, die Wasserknappheit verschärfen, weitere Belastungsgrenzen der Erdsysteme verletzen und Lebensräume indigener Völker zerstören.
Ausgehend von einem unter diesen Aspekten „mittleren Risiko“, das die Menschheit mit Blick auf die Klimakrise wohl akzeptieren müsse, und gestützt auf die wissenschaftliche Literatur leitet das Forschungsteam neuartige Limits ab. Demnach liegt die Nachhaltigkeitsgrenze für die CO₂-Entnahmen auf Klimaplantagen (im Fachjargon „Bioenergy with Carbon Capture and Storage, BECCS) bei jährlich 1,4 bis 2,9 Milliarden Tonnen – je nachdem, wie effizient die Biomasse-Kraftwerke Energie erzeugen und CO₂ abscheiden. Bei Auf- und Wiederaufforstung liegt die Nachhaltigkeitsgrenze bei 3,8 Milliarden Tonnen. In beiden Bereichen wäre also nur ein Bruchteil des technisch Machbaren auch nachhaltig.
„Diese Nachhaltigkeitsgrenzen noch genauer auszuleuchten, ist ein wichtiges Forschungsfeld, auch bei anderen Entnahme-Optionen etwa über die Ozeane oder durch Luftfilter-Anlagen“, betont MCC-Forscher Creutzig. „Jedenfalls ist der tatsächliche Möglichkeitsraum geringer, als es die Klimamodelle ausweisen. Die Politik wird die schwer vermeidbaren Restemissionen, die in einer künftigen klimaneutralen Welt durch CO₂-Entnahmen ausgeglichen werden, sehr sorgfältig priorisieren müssen. Und sie muss den Kampf gegen die Erderhitzung enger verzahnen mit anderen existenziellen Themen wie dem Kampf gegen Nahrungsmittel-Knappheit und Artensterben.“