Die Biodiversität steckt in der Krise: Unter den Tieren und Pflanzen sterben jeden Tag Arten aus. Ehemals häufige Arten – also solche mit vielen Individuen – werden selten und Verbreitungsgebiete schrumpfen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Gründen und Empfehlungen zu Gegenmaßnahmen gibt es viele. Entsprechend gehandelt wird jedoch oftmals zu wenig, auf politischer und auf gesellschaftlicher Ebene.
Um Bürgerinnen und Bürger stärker in die Forschung zu biologischer Vielfalt und Naturschutz einzubinden, entwickeln Forschende der Universität Göttingen zusammen mit dem Dachverband Deutscher Avifaunisten die neue Plattform „BBioDiv“. Sie schaffen damit Strukturen zur Vernetzung an der Schnittstelle von Forschung, Bildung und angewandtem Naturschutz. Die VolkswagenStiftung fördert das Vorhaben drei Jahre lang mit rund einer halben Million Euro.
Vielfalt ist essenziell für stabile Ökosysteme und die zahlreichen „Dienstleistungen“, die wir von der Natur beziehen – und damit für das Überleben der Menschheit. Der Verlust dieser Vielfalt gerät in der öffentlichen Wahrnehmung neben Krisen wie Kriegen, Klimawandel und Pandemien jedoch leicht in den Hintergrund. Das soll sich ändern, indem Bürgerinnen und Bürger in wissenschaftliche Prozesse eingebunden und Kommunikationswege zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik ausgebaut werden.
Prof. Dr. Johannes Kamp, Leiter der Abteilung Naturschutzbiologie der Universität Göttingen und Sprecher des „BBiodiv“-Projekts erklärt: „Als Forschende möchten wir partizipative Projekte zur Dokumentation von Biodiversitätsänderungen im Landschafts- und Klimawandel zusammen mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern entwickeln.“ Zudem habe das Projekt zum Ziel, die Artenkenntnisse unter Studierenden und in der Bevölkerung zu verbessern und anhand der Ergebnisse die Naturschutzpolitik zu beraten.
Im Forum Wissen der Universität Göttingen, das bislang das Wissensmuseum der Universität und künftig auch das Biodiversitätsmuseum und das Thomas-Oppermann-Kulturforum umfasst, findet das Projekt eine ideale Basis. „Über Workshops, Symposien und Ausstellungen werden wir Ergebnisse in neuen, kreativen Formaten kommunizieren“, sagt Prof. Dr. Christoph Bleidorn, wissenschaftlicher Leiter des Forum Wissen. „Von der gemeinsamen Auswertung unserer biologischen Sammlungen bis zur Vermittlung von Artenkenntnis mittels künstlicher Intelligenz können wir im Projekt partizipative Wissenschaft und Bildung leben“, ergänzt Prof. Dr. Maria Teresa Aguado Molina, Direktorin des Biodiversitätsmuseums.
Eine bundesweite Perspektive ergibt sich durch die Kooperation mit dem Dachverband Deutscher Avifaunisten. Dieser koordiniert die Überwachung von Vogelbeständen, bündelt ornithologisches Fachwissen und ist einer der größten Citizen-Science-Player im Bereich Biodiversität. Vorstandsmitglied Dr. Jakob Katzenberger sieht darin Chancen: „Das Projekt erlaubt uns, neue Methoden der digitalen Vogelerfassung in die universitäre Lehre einzubringen. Außerdem stärken wir gezielt die Verbindung zwischen dem ehrenamtlichen Monitoring und der universitären Wissenschaft.“
„Wir erhoffen uns einen Impuls, der auch andere Universitätsstandorte erfasst. Die Einbindung außeruniversitärerer Sichtweisen und Kompetenzen in Forschung und Lehre kann Wissenschaft langfristig interessanter, relevanter und resilienter machen“, fasst Kamp die Vision des „BBiodiv“-Projekts zusammen. Die Plattform soll nach Ende der Förderung verstetigt werden. Das Projekt steht zudem offen für die Einbindung weiterer Partner aus Göttingen und dem Bundesgebiet.