Sie können Schadstoffe aus Abwässern aufnehmen, Kohlenstoffdioxid (CO2) binden und als Energieträger fungieren: Mikroalgen bieten großes Potenzial, um nachhaltige Lösungen für Umweltprobleme zu entwickeln. Das :metabolon Institute der TH Köln erforscht daher im Projekt „ERA3 – Phase II“, unter welchen Bedingungen Deponiesickerwasser mithilfe von Mikroalgen gereinigt werden kann. Hierfür wurde jetzt eine Pilotanlage in Betrieb genommen.
„Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es 428 Deponien, auf denen jährlich etwa sechs Millionen Kubikmeter Deponiesickerwasser anfallen. Dabei handelt es sich um Niederschlag, der durch die Deponie sickert und dabei große Mengen an umweltschädlichen Stoffen wie Ammonium aufnehmen kann“, erklärt die Projektleiterin Prof. Dr. Miriam Sartor vom :metabolon Institute. Da ein Großteil des Sickerwassers in kommunale Kläranlagen geleitet werde, müsse es zuvor je nach Belastung unter hohem Ressourcen- und Energieaufwand aufbereitet werden.
Um diesen Prozess nachhaltiger zu gestalten, wird im Projekt „ERA³“ die Kultivierung von Mikroalgen erforscht, die wesentliche abwasserrelevante Inhaltsstoffe aufnehmen und in ihrer Biomasse speichern können. „Ein großer Vorteil der Mikroalgen ist, dass sie dabei durch Photosynthese angetrieben werden und die Aufbereitung dadurch besonders energieeffizient ist. Zudem wird durch das Wachstum der Kulturen CO2 in der Algenbiomasse gespeichert und gleichzeitig Sauerstoff produziert, was die Wasserqualität verbessert. Nicht zuletzt können die Organismen auch als Energieträger genutzt werden“, so Alexander Kuß, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt.
Im Vorgängerprojekt „ERA³ – Phase I“ (2019 bis 2021) konnte das Forschungsteam bereits nachweisen, dass Mikroalgen auch in hochbelasteten Deponiesickerwässern kultiviert werden können. Bis dahin wurden Mikroalgen überwiegend in stark verdünntem Abwasser eingesetzt. Ziel des nun gestarteten Vorhabens „ERA³ – Phase II“ ist es, im Pilotmaßstab zu ermitteln, wie die Algen als ergänzendes Verfahren in der Behandlung von Abwässern aus der Abfallwirtschaft effektiv genutzt werden können.
Besseres Wachstum und stabilere Kulturen durch Biofilme
„Bisher werden Mikroalgen im industriellen Maßstab überwiegend in suspensions-basierten Systemen kultiviert. Das bedeutet, dass die Algen gezüchtet werden, indem sie sich freischwimmend durch eine Nährlösung – im konkreten Fall Abwasser – bewegen, Nährstoffe aufnehmen, verarbeiten und wachsen. Solche Systeme sind vergleichsweise kostengünstig, leicht zu bewirtschaften und weisen moderate Wachstumsraten auf“, erklärt Sartor.
Die Effizienz sei allerdings durch das in der Regel recht trübe Deponiesickerwasser begrenzt, weil die im Abwasser schwimmenden Algen nicht ausreichend dem Sonnenlicht ausgesetzt seien. Deshalb würden große, flache Becken zur Kultivierung benötigt, die sich allerdings nur schwer in die bestehende Infrastruktur zur Aufbereitung integrieren ließen.
Daher verfolgt das Projektteam einen anderen Ansatz: Die Kulturen werden in sogenannten biofilm-basierten Kultivierungssystemen angebaut. Dabei heften sich die Algenstämme an eine Oberfläche fest und wachsen dort. Da die Biofilme auf diese Weise sowohl über als auch unter der Wasseroberfläche angebracht werden können, ergeben sich neue Möglichkeiten der Anlagenplanung. Zudem konzentriert sich die Biomasse in den Biofilmen auf natürliche Weise, wodurch die Ernte und Weiterverarbeitung deutlich erleichtert wird. Auch sind die Kulturen resistenter gegenüber Stressfaktoren in extremen Lebensräumen wie belastetem Deponiesickerwasser, da sie sich in den Biofilmen besser gegenüber ihrer Umwelt abgrenzen können.
In einem ersten Schritt wurde eine Pilotanlage in Betrieb genommen, in der Mikroalgen in einem Biofilm kultiviert und Deponiesickerwasser ausgesetzt werden. Die Anlage wird nun mit Blick auf den Abbau von Nährstoffen, Stoffwechselaktivitäten anderer relevanter Mikroorganismen wie Cyanobakterien, nitrifizierende und denitrifizierende Bakterien, die Produktion und Verwertbarkeit der Biomasse sowie die Betriebskosten kontinuierlich überwacht und optimiert. „Am Ende des Projekts wollen wir fundierte Erkenntnisse darüber erhalten, ob und wie eine großtechnische Umsetzung ökologisch sinnvoll, effektiv und wirtschaftlich realisierbar ist“, sagt Sartor.