Erhaltungszuchtprogramme für Vietnam

Eines der gezüchteten Jungtiere der Gefleckten Weichschildkröte (Pelodiscus variegatus) wird frei gelassen. Ende 2023 wurden bereits 50 junge und gesunde Schildkröten in Nordvietnam an einem geeigneten Standort angesiedelt. T. Ziegler

Erhaltungszuchtprogramme sollen den Schutz der vom Aussterben bedrohten Gefleckten Weichschildkröte unterstützen. Um mehr über ihr Vorkommen auf dem indochinesischen Festland zu erfahren, haben Forschende jetzt eine Studie zur Habitateignung und zu Verbreitungsmustern im Fachjournal Nature Conservation veröffentlicht. Für die Ermittlung prioritärer Schutzgebiete kombiniert die Studie molekulare Analysen und Modellierungen der Artenverbreitung.

Die Studie ist unter Beteiligung der Vietnamesischen Akademie für Wissenschaft und Technologie (VAST), der Vietnam National University Hanoi und des Asian Turtle Programs (Vietnam), sowie des Kölner Zoos und des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) erschienen.

Die Gefleckte Weichschildkröte (Pelodiscus variegatus) ist seit 2019 aus Vietnam und von der Insel Hainan, China, bekannt. In diesen Ländern gilt sie als Delikatesse. Allein in China werden jedes Jahr Hunderte von Millionen Schildkröten gehandelt, was sie zu den am häufigsten konsumierten Schildkröten der Welt macht. Lebensraumverlust und -verschlechterung, Konkurrenz mit nicht heimischen Schildkrötenarten und Verschmutzung des Lebensraumes sind weitere Gründe für den Rückgang der Art.

Obwohl mehrere Schutzgebiete in Vietnam offenbar geeignete Lebensräume für diese Schildkrötenart bieten, konnten die Forschenden in keinem der untersuchten Gebiete Populationen feststellen. „Wir gehen deshalb davon aus, dass die Gefleckte Weichschildkröte besonders vom Aussterben bedroht ist“, betont PD Dr. Dennis Rödder, Kurator der Herpetologie am Museum Koenig Bonn des LIB.

Die Ergebnisse der ökologischen Modellierungen zeigen, dass Pelodiscus variegatus auch möglicherweise in Laos vorkommt. „An der Grenze zwischen Vietnam und Laos sowie in Feuchtgebieten konnten wir sie jedoch nur lückenhaft nachweisen“, beschreibt Rödder die Modellierung.

Vietnamesische Naturschützer haben in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Thomas Ziegler vom Kölner Zoo in Vietnam Erhaltungszuchtprogramme ins Leben gerufen, um die durch übermäßigen Verbrauch, Lebensraumverlust und Vermischung mit invasiven Arten bedrohten Populationen der Gefleckten Weichschildkröte zu retten.

Die Forschenden haben das Verbreitungsgebiet und den Erhaltungszustand der Gefleckten Weichschildkröte auf Grundlage einer Literaturstudie, von Feldstudien in ganz Vietnam und genetischen Untersuchungen gesammelter Proben errechnet. Die Daten wurden verwendet, um das potenzielle Verbreitungsgebiet der Art in Vietnam zu modellieren.

Um die natürlichen Populationen der Art wiederherzustellen, haben das Institut für Ökologie und biologische Ressourcen (IEBR, VAST) in Vietnam und der Kölner Zoo ein landesinternes Erhaltungszuchtprogramm gestartet. Ende 2023 wurden bereits 50 junge und gesunde Schildkröten in Nordvietnam an einem Standort mit geeignetem Klima und Lebensraum in die Freiheit entlassen.

Aufgrund der Ergebnisse der Studie besteht die Hoffnung, dass weitere Individuen in geschützten Gebieten in Nord-Zentral-Vietnam, dem Verbreitungszentrum der Gefleckten Weichschildkröte, wieder angesiedelt werden können. So will das Konsortium den Rückgang der Art eindämmen und einen weiteren Beitrag zur weltweiten „Reverse the Red“-Bewegung leisten – durch die Anwendung des „One Plan Approach to Conservation“ der IUCN, bei dem alle verfügbaren Expertisen zum optimalen Artenschutz zusammenwirken.

Weichschildkröten der Gattung Pelodiscus sind von Südostsibirien über China bis nach Vietnam weit verbreitet. Ihr Verbreitungsgebiet hat sich jedoch durch menschliche Transporte und Zuchtaktivitäten bis nach Indonesien, Nordaustralien, Westeuropa, Nordamerika, Hawaii und Mauritius ausgedehnt.

Traditionell galt diese Gattung als monotypisch, das heißt mit nur einer anerkannten Art, der Chinesischen Weichschildkröte (Pelodiscus sinensis). Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass die Gattung sehr viel vielfältiger ist und der Wissenschaft mindestens sieben Arten bekannt sind, die folglich auch kleiner Verbreitungen haben und stärker bedroht sind.

„Aufgrund ihrer morphologischen Ähnlichkeit, der sich ausdehnenden Siedlungen und landwirtschaftlichen Aktivitäten, der Übernutzung und aufgrund der aquatischen Lebensweise ist es oft schwierig, sie in ihrem natürlichen Lebensraum zu studieren, um ihre Verbreitung sowie ihren Bestand und ihren Erhaltungszustand besser zu verstehen“, so Rödder. „Leider ist bisher nur ein Teil des potenziellen Verbreitungsgebiets der Art geschützt, und es sind keine Nachweise aus geschützten Gebieten bekannt, was die Notwendigkeit erweiterter oder sogar neuer Schutzgebiete unterstreicht.“