Ein neues, interdisziplinäres Forschungsprojekt untersucht, welchen Einfluss zum Beispiel Hitzestress und Luftqualität auf die Gesundheit der Patienten haben. Auch die Auswirkungen von Lage, Ausstattung und Zustand der Gebäude, Raumaufteilung der Patientenzimmer sowie Arbeitsabläufen auf die Gesundung werden unter die Lupe genommen. Zum Einsatz kommt dabei ein neuartiges Sensornetzwerk, das unter anderem Parameter der Luftqualität misst. Neben der TU Berlin als Verbundkoordinatorin sind an dem Projekt Wissenschaftlern der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie der Technischen Universität Braunschweig beteiligt. Ziel ist die Erarbeitung von energie- und kosteneffizienten Musterlösungen für Bau, Renovierung und Betrieb von Krankenhausgebäuden.
Verschiedene Stationen in unterschiedlichen Gebäuden der Charité sollen in das Forschungsprojekt einbezogen werden. „Wir werden so über die drei Jahre gerechnet die anonymisierten Daten von mehreren Tausend Patienten auswerten können“, sagt Prof. Dr. Christine Geffers, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin. In die Auswertung einbezogen werden zum Beispiel Ergebnisse aus Blutuntersuchungen wie Elektrolytwerte und Hämatokrit-Konzentrationen.
„Die Konzentration dieses festen Bestandteils des Blutes steigt, wenn das Flüssigkeitsvolumen zurückgeht. Hämatokrit ist also ein Marker für Flüssigkeitsverluste, zum Beispiel durch starkes Schwitzen“, erklärt Geffers. Auch die Abnahme von Elektrolyt-Konzentrationen deute auf Salzverlust durch Schwitzen hin. „Durch diese Parameter bekommen wir also objektive Informationen, ob Patient*innen gegebenenfalls unter Hitzestress gelitten haben“, sagt Geffers.
Anonymisierte Informationen über Infektionen und Behandlungsdauer
Neben den Auswirkungen von hohen Temperaturen und zusätzlich gegebenenfalls hoher Luftfeuchtigkeit auf die Gesundheit der Patient*innen werden auch infektiologische Parameter aus den Behandlungsdaten in die Studie mit einbezogen: Marker für das Auftreten von Blutvergiftungen etwa sowie Informationen über Infektionen mit multiresistenten Erregern, SARS-CoV-2- oder Influenzaviren. Zudem wird die jeweilige Behandlungsdauer der Patient*innen registriert.
Gesundheitsdaten und Sensordaten werden statistisch verknüpft
„Diese gesundheitlichen Daten verknüpfen wir dann statistisch mit den von speziellen Sensoren in den Krankenzimmern aufgenommenen Daten zum Raumklima und zur Luftqualität sowie zu modellbasierten Energieverbräuchen, so dass ein neuartiges Sensornetzwerk entsteht“, sagt Projektkoordinator Prof. Dr. Martin Kriegel, Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts (HRI), Fachgebiet „Energie, Komfort & Gesundheit“ der TU Berlin. Neben Temperatur und Luftfeuchte, die zusammen das Raumklima bestimmen, werden von den Sensoren die Partikelanzahl in der Luft sowie der Anteil an Kohlendioxid gemessen.
„Die CO2-Konzentration wirkt sich in üblichen Konzentrationen nicht direkt auf die Gesundheit aus, ist aber ein sehr guter Maßstab, um die Leistungsfähigkeit der Raumlüftung zu messen“, erklärt Kriegel.
Funktioniere diese gut, könne sie zum Beispiel die Konzentration von Krankheitserregern in der Raumluft deutlich reduzieren. Neben den Daten aus dem Sensor-Netzwerk wollen die Forscher*innen zudem Informationen über Stickoxidkonzentrationen und die Feinstaubbelastung an den Standorten der betreffenden Krankenhausbauten mit einbeziehen. „Auch die Entstehung von Feinstaub im Krankenhaus selbst sowie das Ausgasen von flüchtigen organischen Verbindungen zum Beispiel aus Baumaterialien wollen wir mitberücksichtigen“, so Kriegel.
Lage eines Gebäudes kann die Gesundheit der Patienten beeinflussen
„Gerade der Einfluss der baulichen Strukturen auf die Gesundheit der Patient*innen wird häufig unterschätzt“, sagt Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Sunder, Leiter Gesundheitsbau des Instituts für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig. Dabei sei schon allein die Lage eines Gebäudes relevant, zum Beispiel wenn es um die Gefahr von Hitzestress geht. Denn wenn große Fensterflächen nach Süden ausgerichtet sind, ist eben auch der Einfall von Wärmestrahlen der Sonne sehr hoch. Dass das Klima in den Zimmern der Patient*innen relevant ist für deren Genesung, zeigen frühere Untersuchungen an der Charité. In denen reduzierte sich für bestimmte Lungenerkrankungen die Genesungsdauer von drei auf zwei Tage, wenn die Patient*innen sich in klimatisierten Räumen aufhielten.
Zusammenspiel von Lüftung und baulichen Strukturen ist unerforscht
Welchen Einfluss auf die Gesundheit hat es aber, wenn Patienten auf ihrem Zimmer zu zweit statt zu dritt sind? Ist es wichtig, wie die Räume für Besucher erschlossen werden, wie Material gelagert wird und wo die Besprechungs- und Aufenthaltsräume des Personals liegen? „Gerade auf Intensivstationen sowie in der Hämatologie und der Onkologie gibt es hier verschiedene Konzepte, die für den Schutz der besonders gefährdeten Patienten entwickelt wurden“, erklärt Sunder. Trotzdem seien viele Zusammenhänge, etwa auch das Zusammenspiel der baulichen Strukturen mit den teils aufwendigen Lüftungsanlagen, noch unklar. Gerade der große, sehr unterschiedliche Baubestand der Charité eigne sich hier gut, um vielfältige Einblicke zu gewinnen.
Das Ziel: energie- und kosteneffiziente Musterlösungen
„Am Ende unseres Forschungsprojekts sollen bauliche Musterlösungen für verschiedene Bereiche im Krankenhaus entwickelt werden, die dann als Blaupause nicht nur für Neubauten, sondern vor allem für die Renovierung von Bestandsbauten genutzt werden können“, erklärt Projektleiter Martin Kriegel. Die wird nämlich in Zukunft besonders wichtig werden, weil 90 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland vor dem Jahr 2000 errichtet worden sind. „Ein besonderes Augenmerk werden wir dabei auf energie- und kosteneffiziente Lösungen richten“, so Kriegel. Denn angesichts knapper Kassen müsse das zur Verfügung stehende Geld möglichst sinnvoll eingesetzt werden. Das auf den Stationen installierte Sensor-Netzwerk könnte genau dabei eine wichtige Rolle spielen: als Signalgeber im Klinikalltag, um auf sich ändernde Umstände wie etwa Hitze- und Kälteperioden oder Krankheitswellen schnell und flexibel durch Änderungen des Betriebsmodus reagieren zu können.