Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA (European Food Safety Authority) hat einen neuen wissenschaftlichen Bericht zum aktuellen Stand der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) innerhalb der EU veröffentlicht. Der Report beschreibt unter anderem, welche Managementmaßnahmen die EU-Staaten ergreifen sollten, wenn die Virusinfektion als sogenannter punktueller Eintrag auftritt, sie also weit entfernt vom aktuellen Geschehen der Ausbreitung festgestellt wird. Die wissenschaftliche Basis für diese Empfehlungen kommt von einem Modellierteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) hat sich im Vergleich zum Vorjahr weiter ausgebreitet. Neue Ausbrüche fernab des eigentlichen Zentrums der Epidemie im Nordosten Europas wurden unter anderem in Rumänien und Bulgarien festgestellt. Und sogar in Belgien, in einer Entfernung von nur 60 Kilometern zu Deutschland, wurden zahlreiche tote Wildschweine gefunden. Es ist offensichtlich, dass das Virus nur durch die unabsichtliche Einschleppung über den Menschen und nicht durch die natürliche Verbreitung über Wildschweine und freilaufende Hausschweine den Weg nach Belgien fand. Deshalb ist die Sorge in der EU groß, dass die Afrikanische Schweinpest überall unvermittelt auftreten und damit zu großen wirtschaftlichen Schäden führen kann.
Zentrum der Epidemie
Das UFZ-Modellierteam um Dr. Hans-Hermann Thulke befasste sich deshalb im Auftrag der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA mit drei verschiedenen Ausgangsszenarien und bewertete derzeitige Managementmaßnahmen für: Erstens ASP-freie Gebiete, die räumlich weit entfernt vom derzeitigen Zentrum der Epidemie liegen; zweitens noch ASP-freie Gebiete, die sich in der Nähe zu ASP-Gebieten befinden und damit einem höheren Risiko unterliegen, dass sich die Seuche auf natürliche Weise über Wildschweine ausbreitet; und drittens für jene Gebiete, in denen das Virus fernab des aktuellen ASP-Geschehens infolge der Ausbreitung über den Menschen plötzlich in Form eines Punkteintrags auftritt und schnelles Handeln notwendig macht.
Da derzeit insbesondere dieses dritte Szenario, der Punkteintrag der Afrikanischen Schweinepest, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht, rückte es auch in den Fokus der UFZ-Modellierungen. „Die Herausforderung in diesem Fall ist, dass man nicht wissen kann, wann, wo und in welchem Ausmaß die Schweinepest auftritt“, sagt Hans-Hermann Thulke, der bis Mitte dieses Jahres Vize-Vorsitzender des EFSA-Panels Tiergesundheit und Tierschutz war. Im Falle des Punkteintrags gliedert die EFSA die Areale rund um den Ort des Auftretens der ASP in drei Managementzonen: Die Kernzone ist von einem Schutzzaun begrenzt, der verhindern soll, dass Wildschweine die innerste Zone verlassen und Menschen sie betreten. Daran grenzt die Pufferzone, die von einer Jagdzone umschlossen wird, in der Jäger Wildschweinen intensiv nachstellen sollen.
Die UFZ-Forscher simulierten nun Szenarien, in denen sie verschiedene Variablen variierten – etwa die Größe der Managementzonen, die Jagdintensität, die Häufigkeit des Entfernens der toten Wildschweine, die Durchlässigkeit des Schutzzauns oder die Wahrscheinlichkeit, mit der die Kadaver entdeckt werden. Mit den Modellierungsergebnissen konnten sie bewerten, welche Bekämpfungsmaßnahmen am ehesten die ASP-Ausbreitung stoppen können.
Einrichtung von Kern- und Pufferzone
Dabei zeigte sich unter anderem, wie wichtig es ist, tote Wildschweine unter Einhaltung strengster Hygienebedingungen schnell zu sammeln und zu entsorgen. Dies, so Thulke, sei notwendig, weil sich andere, noch gesunde Wildschweine an den toten Artgenossen infizieren können. Werden beispielsweise in der Kernzone 20 Prozent der toten Schweine entfernt, steigt die Wahrscheinlichkeit, den Virus zu stoppen, auf 80 Prozent, wenn parallel in der Jagdzone Wildschweine geschossen werden. Durch die Einrichtung von Kern- und Pufferzone gewinne man wertvolle Zeit, um präventiv in der Jagdzone den Schweinebestand zu dezimieren. Zudem erhöhten sich die Erfolgsaussichten, je schneller die von der ASP getöteten Wildschweine aus der Kernzone entfernt werden. Gelänge es zum Beispiel doppelt so viele tote Tiere, also 40 Prozent, zeitnah zu entfernen, seien die Erfolgschancen gleich hoch – und dies ohne zusätzliche intensive Bejagung.
Diese Managementüberlegungen zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest machen aber nur bei Punkteinträgen Sinn. „Tritt der Virus bereits flächig auf und sind lange Grenzen zu schützen, zeigte unsere Simulation, dass diese Bekämpfungsstrategie nicht mehr weiterhilft“, sagt Thulke. Dies passe zu den praktischen Erfahrungen, dass sich die Seuche kaum an ihrer Ausbreitung hindern lässt, hat sie sich einmal festgesetzt. „Insofern sehe ich die konsequente Umsetzung der Maßnahmen bei einem Punkteintrag als Chance, die es nicht zu verspielen gilt“, sagt Thulke. Er baute für die Analysen auf den 20-jährigen Erfahrungen auf, die das UFZ bei Modellierungen etwa zur Bekämpfung der Tollwut, der Maul- und Klauenseuche sowie der ASP sammelte.
Zu welchem Zeitpunkt müssten die Behörden eingreifen?
Deutschland könnte aus dem EFSA-Wissenschaftsreport nach Meinung des UFZ-Forschers wichtige Schlussfolgerungen ziehen. „Die Bundesländer könnten sich basierend auf den Bericht sehr gut für ein mögliches punktuelles Auftreten der Afrikanischen Schweinepest vorbereiten“, sagt Thulke. Zu welchem Zeitpunkt müssten die Behörden eingreifen? Welche Art von Zaun ist notwendig für die Kernzone? Wer übernimmt das Abschießen der Wildschweine? Wo werden die Kadaver entsorgt? Fragen, für die jedes Bundesland basierend auf dem EFSA-Bericht konkrete Antworten parat haben sollte. „Die Bundesländer haben damit die Möglichkeit, vorliegende Notfallpläne zu präzisieren und ressourcenorientiert zu untersetzen“, sagt Thulke.