Die Anwesenheit von Menschen erhöht die Heterogenität und Komplexität von Ökosystemen und wirkt sich oft positiv auf deren Biodiversität aus / Archäologische Studie trägt verschiedene Fallstudien aus dem Spätpleistozän zusammen: Kulturelle Diversität wirkt sich vermutlich insgesamt positiv auf die Biodiversität von Ökosystemen aus. Als ein entscheidender Motor der großen Aussterbeereignisse im „Zeitalter des Menschen“ (Anthropozän) kann daher die Homogenisierung von menschlichen Lebensformen angesehen werden.
Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Shumon T. Hussain von der Universität zu Köln und Dr. Chris Baumann von der Universität Tübingen in ihrem kürzlich erschienenen Artikel „The human side of biodiversity: coevolution of the human niche, palaeo-synanthropy and ecosystem complexity in the deep human past“ im renommierten Journal Philosophical Transactions of the Royal Society B. Der Artikel fügt sich in den aktuellen thematischen Fokus „Multispecies Conviviality“ des Kölner Forschungszentrums MESH (Multidisciplinary Environmental Studies in the Humanities) ein.
Die Wissenschaftler beschreiben in der oben genannten Veröffentlichung die Rolle des Menschen in der Evolution und Steuerung von Biodiversität. Dabei folgen die Archäologen einer archäologischen Tiefenzeit-Perspektive, um zu argumentieren, dass die Idee, Menschen hätten als Jäger-Sammler harmonisch mit der Natur gelebt, das Grundproblem der menschlichen Interaktion mit den Ökosystemen falsch charakterisiert. Ebenfalls kritisieren die Wissenschaftler, dass in jüngerer Vergangenheit mit Hinblick auf die Aussterbeereignisse, den sogenannten anthropozänen Biodiversitätsverlust, oft versucht wurde nachzuweisen, dass Menschen schon vor mehr als 10.000 Jahren aktiv in ihr Ökosystem vor allem mit negativen Konsequenzen eingegriffen haben.
Mit ihrem Artikel zeigen die Forscher auf, dass das Verhältnis von Menschen und Ökosystemen schon immer sehr viel komplizierter und vielschichtiger war und neben negativen auch regelhaft positive Biodiversitätseffekte zu verzeichnen sind.
„In der Regel kann sogar gesagt werden, dass es oftmals durch menschliche Aktivität lokal zu Biodiversitätsverlust kommt, an anderer Stelle Biodiversität aber stark gefördert wird, und diese Dynamiken daher in einen größeren Zusammenhang gestellt werden müssen“, so Hussain.
Die Studie trägt verschiedene Fallstudien aus dem Spätpleistozän (ca. 120.000 bis 11.800 Jahre vor heute) zusammen und stützt sich zudem auf eine jüngere Studie der beiden Autoren zu eiszeitlichen Raben, die zeigt, dass diese Vögel schon vor circa 30.000 Jahren vom Menschen als Nachbarn profitiert haben – vor allem von Nahrungsoptionen, die Jäger-Sammler in der Umwelt für diese Tiere zur Verfügung gestellt haben.
Die Archäologen stützten sich bei ihren Untersuchungen auf die Ergebnisse von archäozoologischen und stabilen Isotopen-Untersuchungen, die im Raben-Fall zu Anwendung kamen. Sie nutzten diese und andere bereits publizierte archäologische Kontextinformationen um zu zeigen, dass solche Prozesse lokal zu einer Erhöhung der Biodiversität führen können, weil bestimmte Tiere vom menschlichen Einfluss profitieren und andere, die vom Menschen lokal ausgeschlossen werden, wie zum Beispiel größere Raubtiere, auf andere Regionen ausweichen. Insgesamt erhöht dies die Heterogenität und Komplexität solcher Ökosysteme und wirkt sich somit oft positiv auf die Gesamtbiodiversität aus.
„Wir versuchen letztlich zu argumentieren, dass Biodiversitätsregime nicht vom menschlichen Einwirken getrennt werden können und nicht alle diese Einflüsse immer nur negativ sind“, erklärt Shumon Hussain. „Daraus folgt auch, dass Diversität an menschlichen Lebensformen sich vermutlich insgesamt positiv auf die Biodiversität auswirkt und ein entscheidender Motor der anthropozänen Biodiversitätskrise auch die Homogenisierung des menschlichen Lebens in und mit der Natur ist.“