Lange Dürreperioden und plötzliche Regenfälle – wie schaffen es Wüstenbodenbakterien in diesem Umfeld zu überleben? Diese Frage wird seit langem in der Forschung diskutiert. Ein ERC Projekt der Mikrobiologin Dagmar Woebken vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften (CeMESS) an der Universität Wien gibt nun eine Antwort: Wüstenbodenbakterien sind in hohem Maße daran angepasst, schnelle Umweltveränderungen zu überleben, die sie bei jedem Regenereignis erfahren.
Trockengebiete bedecken über 46 Prozent der weltweiten Landfläche – durch den Klimawandel und nicht nachhaltige Landwirtschaft breiten sie sich kontinuierlich aus. Während Pflanzen in diesen Wüstengebieten selten anzutreffen sind, gedeihen Mikroorganismen im Wüstenboden und spielen eine entscheidende Rolle in diesem Ökosystem.
Diese Mikroben in der sogenannten Biokruste, den obersten Millimetern bis zu ca. einem Zentimeter des Bodens, versorgen den Boden mit Kohlenstoff und Stickstoff, fügen ihm also Nährstoffe hinzu. Außerdem tragen sie dazu bei, die Bodenerosion zu verhindern und Wasser zu speichern. Diese Mikroorganismen leben jedoch in einer wahrlich herausfordernden Umwelt: Sie sind langen Dürreperioden ausgesetzt, während es nur selten regnet.
Bislang war unklar, wie die Mikroorganismen unter diesen Umständen wichtige Ökosystemfunktionen in Wüstenböden aufrechterhalten können. Durch die Anwendung modernster Methoden der mikrobiellen Ökologie konnte das Team um Dagmar Woebken Einblicke in das mikrobielle Leben in diesen Böden gewinnen.
Die Forscher haben eine Art „All-in“-Reaktivierungsstrategie in Biokrusten aus der israelischen Negev-Wüste entschlüsselt: Die Bakterien nutzen die kurzen Regenereignisse optimal aus, da in diesem schmalen Aktivitätsfenster nahezu die gesamte mikrobielle Vielfalt und fast alle Zellen aktiv werden. Die langen Dürreperioden überstehen die Bakterien in einer Art Ruhezustand. Reaktiviert werden sie dann durch spontane und kurze Regenfälle.
„Wenn wir im Labor ein Regenereignis simulieren, konnten wir beobachten, dass innerhalb der ersten 15 bis 30 Minuten des Regens fast alle bakteriellen Gruppen der Biokruste von einem ruhenden Modus in einen aktiven Modus wechselten“, erklärt Dimitri Meier, Co-Erstautor der Studie.
„Das ist eine bemerkenswerte Eigenschaft der Wüstenbodenbakterien, da in anderen Bodentypen viele Bakteriengruppen wesentlich länger für eine Reaktivierung brauchen.“ Die Wüstenbodenbakterien zeichnen sich also dadurch aus, dass sie unmittelbar nach der Reaktivierung mit der Energiegewinnung und der Reparatur ihres Genoms beginnen.
In der Studie simulierten die Forscher Regenereignisse mit stabilem, Isotopen-markierten Wasser – also Wasser, das schweren Wasserstoff enthält. Mit NanoSIMS wurden einzelne Zellen auf den Einbau des schweren Wasserstoffatoms untersucht.
„Durch diesen Ansatz konnten wir den Anteil der Biokrustenzellen ermitteln, die bei einem Regenereignis reaktiviert werden. Somit konnten wir auch abschätzen, ob sie bei kurzen Regenereignissen, die in sehr trockenen Wüsten oft nur ein bis zwei Tage dauern, wachsen können“, erklärt Stefanie Imminger, Doktorandin und Co-Erstautorin der Studie.
„Unser Fazit: Fast alle Biokrustenzellen werden reaktiviert, aber nur ein kleiner Teil der Zellen kann sich bei diesen kurzen Regenperioden verdoppeln“, so Imminger. Der Großteil der Biokrustenzellen kann Regenereignisse also zum Regenerieren und zur Vorbereitung auf die nächste Dürre nutzen, doch zur Zellteilung kommt es nicht.
„Diese Daten helfen uns zu verstehen, wie Biokrusten-Bakterien die kurzen Aktivitätsfenster, die sie in Wüsten erleben, optimal nutzen. Sie sind ideal angepasst, kurzfristige Veränderungen im Wassergehalt des Bodens auszuhalten, was eine sehr stressige Situation für die Zellen darstellt. Damit überleben sie den plötzlichen Anstieg im Wassergehalt beim Regen, aber auch die anschließende Austrocknung. Zudem ist die vielfältige mikrobielle Gemeinschaft in der Lage, sofort zu reaktivieren, was von großem Nutzen ist, wenn man in wenigen Stunden bis Tagen wieder in Ruhezustand zurückkehren wird müssen“, sagt die Studienleiterin Dagmar Woebken.
Die Ergebnisse dieser Studie sind nicht nur für Wüstengebiete relevant, sondern auch für andere Regionen. Die Fähigkeit, eine Wasserknappheit zu überleben, wird für Bodenmikroorganismen in gemäßigten Regionen immer wichtiger, da die Häufigkeit und Intensität von Dürreperioden aufgrund des Klimawandels zunehmen. Die Erkenntnisse aus der Wüstenbodenforschung können helfen zu verstehen, welche Eigenschaften Bodenmikroorganismen erfolgreich machen, um diese Herausforderungen zu bewältigen.