Wie reagieren Mikroorganismen auf Umweltveränderungen?

Studienleiter Prof. Dr. Gianni Panagiotou ist Professor für Microbiome Dynamics im Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“ der Universität Jena. Foto: Jens Meyer/Uni Jena

Umweltveränderungen beeinflussen mikrobielle Gemeinschaften, die für die Gesundheit von Mensch und Umwelt entscheidend sind. So können etwa veränderte Essgewohnheiten mit stark verarbeiteten Lebensmitteln zu einer gestörten Darmflora führen oder der Kohlenstoffkreislauf im Boden durch intensive landwirtschaftliche Praktiken gestört werden.

Ein Forschungsteam  der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat in einer aktuellen Studie untersucht, was diese Veränderungen für die Lebensgrundlagen von Mikroorganismen bedeuten. Dafür haben die Forschenden DNA-Sequenzen von mehr als 1.500 mikrobiellen Gemeinschaften, sogenannter Mikrobiome, aus verschiedenen Lebensräumen analysiert, um herauszufinden, wie robust oder empfindlich die winzigen Lebewesen gegenüber Umweltveränderungen sind.

In ihrer Studie stellten sie fest, dass Bakterienarten, die in vielen verschiedenen Lebensräumen vorkommen, größere Erbgutmengen haben. Das könnte erklären, wie sie in so unterschiedlichen Umgebungen überleben können.

„Wir haben Datensätze aus Proben von Gewässer-, Wirt- und Bodenbiomen analysiert, um Bakterien und Pilze zu identifizieren, die entweder weit verbreitet oder auf bestimmte Umgebungen spezialisiert sind“, erklärt Gianni Panagiotou, Professor für Microbiome Dynamics der Universität Jena .

„Dabei haben wir festgestellt, dass bestimmte Bakterien- und Pilzarten, die sich als sogenannte Generalisten an verschiedene Umgebungen anpassen können, dazu tendieren, ihre Gemeinschaften zu dominieren. Diese Organismen weisen im Vergleich zu Bakterien, die auf spezifische Lebensräume spezialisiert sind, größere Genome auf“, so Panagiotou weiter.

Zunächst hat das Forschungsteam DNA-Sequenzen von Bakterien und Pilzen aus frei zugänglichen Datenbanken untersucht. Dafür haben sie Datensätze aus verschiedenen Regionen der Erde ausgewählt, darunter Europa, Asien und Amerika, und verschiedene Lebensräume wie Gewässer, Böden sowie unterschiedliche Wirtsorganismen berücksichtigt.

„Mithilfe spezieller Software konnten wir in jedem Datensatz die Mikroben identifizieren. Auf dieser Basis untersuchten wir die verschiedenen Arten von Bakterien und Pilzen in den unterschiedlichen Lebensräumen. Durch den Vergleich der Datensätze konnten wir feststellen, ob bestimmte Organismen Generalisten sind, die in verschiedenen Lebensräumen vorhanden sind und gedeihen können, oder Spezialisten, die strenge Ansprüche an ihre Umgebung stellen, was ihre Verbreitung einschränkt“, erläutert Dr. Amelia Barber, Microverse-Nachwuchsgruppenleiterin für den Bereich „Fungal Informatics“.

Erstmals hat damit ein Forschungsteam sowohl Bakterien- als auch Pilzarten gemeinsam auf globaler Ebene untersucht, um die Anpassungsfähigkeit von Mikroorganismen inmitten diverser und sich verändernder Lebensräume zu erforschen.

„Bakterien und Pilze stehen in vielfältigen Wechselwirkungen miteinander. Diese prägen ihren Lebensraum und die Funktionsweise ihrer Ökosysteme maßgeblich. Sie umfassen beispielsweise symbiotische Beziehungen, bei denen beide Partner voneinander profitieren, und sind entscheidend für das Verständnis von Ökosystemen“, ergänzt Amelia Barber.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Forschenden des Microverse-Clusters ermöglichte es, die Ergebnisse des datenbasierten Projekts zu interpretieren. „Damit ist es uns gelungen, aus öffentlichen wissenschaftlichen Datenbanken neue Erkenntnisse über die grundlegenden ökologischen und evolutionären Strategien von Mikroorganismen in der Natur zu gewinnen und zu zeigen, wie sich diese kleinsten Lebewesen an ihre Umgebung anpassen, um im Laufe der Zeit zu überleben“, sagt Bas Dutilh, Professor für „Virale Ökologie und Omics“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

„Ein Großteil dieser Organismen ist lediglich anhand seiner genomischen Signaturen bekannt, die wir in Datenbanken identifizieren können. Durch diese Analyse können wir auch viel über Lebensraum, Funktionsweise und Interaktionen von mikrobiellen Gemeinschaften erfahren“, so Dutilh weiter.