Die Rolle von Gebirgen im CO2-Haushalt der Erde

Der Zentral-Apennin in Mittelitalien: Hier wurde die CO2-Bilanz für ein relativ junges Gebirges gemessen. Das Bild zeigt ein Naturschutzgebiet in der Region Latium. Das Grundwasser durchströmt die Kalksteinmassive und tritt an Quellen wie diesen zutage Erica Erlanger, GF

In dem italienischen Gebirge ist der CO2-Ausstoß aus Erdkruste und -mantel größer als die CO2-Aufnahme der Verwitterung an der Oberfläche – jedenfalls dort, wo die Kruste dünn und der Wärmefluss hoch sind. Das zeigt eine Studie in Nature Geoscience von Forschenden um Erica Erlanger und Niels Hovius vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ und Aaron Bufe von der Ludwig-Maximilians-Universität München, die die konkurrierenden Prozesse erstmals in einer Region untersucht und bilanziert haben.

Tektonisch aktive Gebirge spielen eine wichtige Rolle bei der natürlichen CO2-Regulation der Atmosphäre. Hier finden konkurrierende Prozesse statt: An der Oberfläche treibt Erosion Verwitterungsprozesse an, die je nach Gesteinsart CO2 aufnehmen oder freisetzen. In der Tiefe führt das Erhitzen und Schmelzen von Karbonatgestein zur Ausgasung von CO2, das an die Oberfläche gelangt.

Im mittelitalienischen zentralen Apennin-Gebirge haben Forschende um Erica Erlanger und Niels Hovius vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ und Aaron Bufe von der Ludwig-Maximilians-Universität München nun erstmals alle diese Prozesse in einer Region untersucht und bilanziert – u.a. anhand von Analysen des CO2-Gehalts in Gebirgsflüssen und Quellen. Sie stellten fest, dass Verwitterung in dieser Region insgesamt zu einer CO2-Aufnahme führt.

Diese oberflächennahen Prozesse bestimmen die CO2-Bilanz aber nur in Gebieten mit dicker und kalter Erdkruste. Auf der Westseite des Zentral-Apennin ist die Kruste dünner und der Wärmefluss höher. Dort ist die CO2-Ausgasung aus der Tiefe bis zu 50 Mal so stark wie die CO2-Aufnahme durch Verwitterung. In Summe erweist sich die untersuchte Landschaft als CO2-Emittent. Die Tektonik, also Aufbau und Dynamik der Erdkruste, steuert die CO2-Freisetzung hier also stärker als die chemische Verwitterung.

Hintergrund:

Für die Bilanzierung des globalen CO2-Haushalts spielen neben den vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auch viele natürliche Prozesse eine Rolle – biologische wie geologische. Gebirgslandschaften sind ein prominenter CO2-Umschlagplatz, und es ist wichtig, die Auswirkungen der hier ablaufenden konkurrierenden Prozesse von CO2-Emission und CO2-Aufnahme in Klimamodellen adäquat zu berücksichtigen.

Der Zentral-Apennin als CO2-Quelle

Zum einen werden Gesteine an der Erdoberfläche durch chemische Lösungsprozesse verwittert: Erosion legt fortwährend Gestein frei, das – je nach Gesteinsart – mit verschiedenen Geschwindigkeiten und entweder unter Aufnahme oder Freisetzung von CO2 verwittert. So binden etwa Silikatmineralien CO2 und bilden Kalkstein. Die Verwitterung von Kalk- und schwefelhaltigen Gesteinen setzt wiederum CO2 frei.

Diese komplexe Konstellation hat ein Forschungsteam um Aaron Bufe und Niels Hovius in einer weiteren, bereits Anfang März im Fachmagazin Science erschienenen Studie aufgeschlüsselt. Sie untersuchten am Beispiel verschiedener Gebirgsregionen weltweit den Einfluss der Erosionsrate auf die CO2-Bilanz.

Gebirgsbildung beeinflusst allerdings nicht nur Erosions- und Verwitterungsraten an der Erdoberfläche. Wo sich tektonische Platten übereinander schieben, kann das Erhitzen von Karbonatgestein in der Kruste und im Erdmantel zu chemischen Reaktionen führen, die mit der Emission von CO2 einhergehen.

„Bisherige Studien haben sich jedoch oft auf einen einzigen Prozess konzentriert und entweder nur die Verwitterung an der Oberfläche oder nur die Abläufe in der Tiefe in den Blick genommen. Das wollten wir ändern“, sagt Niels Hovius.

CO2-Ausgasung oder -Speicherung – welcher Prozess dominiert?

Die Konkurrenz zwischen den oberflächennahen und tiefliegenden Prozessen ist nun im Fokus einer neuen Studie von Erica Erlanger, Post-Doc-Wissenschaftlerin am GFZ und der Université de Lorraine (Frankreich), Aaron Bufe, Professor für Sedimentologie an der LMU München und ehemals Post-Doc-Wissenschaftler am GFZ, und Niels Hovius, Leiter der Sektion Geomorphologie am GFZ und Professor an der Universität Potsdam, zusammen mit Kolleg:innen aus Frankreich, Italien, den USA und der Schweiz.

Hierfür erweist sich der zentrale Apennin in Mittelitalien als besonders geeignete Region, wie Erica Erlanger, Erstautorin der Studie, erläutert: „Dieses Gebiet ist Teil eines aktiven Gebirges, in dem es dicht beieinander sowohl Zonen mit dicker, kalter Kruste als auch mit dünner warmer Kruste gibt, sodass wir den Einfluss der Untergrundaktivität gut untersuchen können. Denn sowohl die klimatischen Bedingungen als auch die Topografie und die Gesteinsarten an der Oberfläche sind im gesamten Gebiet ähnlich, sodass es kaum Unterschiede in der Verwitterungsaktivität geben dürfte.“

Probennahme und Untersuchung von CO2-Anteilen

Im westlichen Zentral-Apennin beträgt die Krustendicke rund 20 Kilometer und der Wärmefluss bis zu über 100 Milliwatt pro Quadratmeter, während die Kruste im Osten mehr als 40 Kilometer dick ist, bei einem Wärmefluss von um die 30 Milliwatt pro Quadratmeter.

Die Forschenden haben im westlichen Tevere- und im östlichen Aterno-Pescara-Flusssystem insgesamt 104 Wasserproben genommen, davon 49 im Sommer 2020 und 55 im Winter 2021. Somit werden die wärmsten und trockensten bzw. die feuchtesten und kältesten Jahreszeiten abgedeckt, zur Abschätzung der minimalen (Sommer) und maximalen (Winter) CO2-Flüsse.

Gebirgsbildung und Erosion haben einen komplexen Einfluss auf die CO2-Bilanz in der Atmosphäre. Hier zu sehen: die Östlichen Südalpen in Neuseeland mit dem Harper River, ein Nebenfluss des Rakaia River. (Foto: A. Bufe)

Wasserproben eignen sich deshalb, weil Flüsse und Quellen Kohlenstoff transportieren, der sowohl aus der Tiefe als auch aus oberflächennahen Verwitterungsreaktionen stammt. Die chemische Analyse der Proben beinhaltete unter anderem die Bestimmung der relativen Häufigkeit verschiedener Kohlenstoff-Isotope. Sie kann Aufschluss darüber geben, ob der Kohlenstoff von einer Pflanze oder aus der Atmosphäre stammt oder aus einem subduzierten Gestein freigesetzt wurde.

„Auf dieser Basis konnten wir berechnen, welche CO2-Mengen durch Verwitterung oder aus der Tiefe durch umgewandelte Karbonate freigesetzt wurden, und welche CO2-Mengen von verwitterten Silikaten gebunden wurden“, erläutert Erlanger.

Um eine Gesamtbilanz für den CO2-Haushalt des Apennins abzuschätzen, haben die Forschenden darüber hinaus Schätzungen für anorganische CO2-Emissionen aus Gasschloten, die von der Westseite des Apennins bekannt sind, sowie von organischem CO2-Austausch berücksichtigt.

Zentral-Apennin als Netto-CO2-Quelle mit zweigeteilter CO2-Bilanz

Das Forschungsteam fand heraus, dass die Verwitterungsprozesse im gesamten Untersuchungsgebiet überwiegend CO2 einfangen und nicht freisetzen. Bemerkenswerterweise werden jedoch die verwitterungsbedingten CO2-Flüsse dort, wo die Kruste dünn und der Wärmefluss hoch ist, vollständig von CO2-Freisetzung aus der Tiefe überlagert, und zwar um einen Faktor 10 bis 50. In der Summe ist die Region daher eine CO2-Quelle.

„Wichtig ist, dass die Schwankungen der CO2-Freisetzung aus der Tiefe viel größer sind als die Schwankungen in den chemischen Verwitterungsflüssen an der Oberfläche. Das bedeutet, dass die regionale Geodynamik im zentralen Apennin den Kohlenstoffkreislauf am stärksten beeinflusst, indem sie die Freisetzung von CO2 aus der Tiefe moduliert, und nicht, indem sie die CO2-Speicherung oder -Freisetzung durch Verwitterungsreaktionen verstärkt“, resümiert Erica Erlanger. „Ausgehend von der geologischen Entwicklung des Gebiets schätzen wir, dass es wahrscheinlich über die letzten 2 Millionen Jahre zu einer CO2-Ausgasung aus tiefen Gesteinen gekommen ist.“

Weitergehende Schlussfolgerungen: Bessere Klimamodelle und Verständnis des empfindlichen CO2-Gleichgewichts über geologische Zeiten

„Unsere Untersuchungen werden zu einem besseren Verständnis der tatsächlichen CO2-Bilanz für die Atmosphäre und damit auch zu besseren langfristigen Klimamodellen beitragen“, sagt Aaron Bufe. „Außerdem helfen sie dabei zu klären, wie unser Planet in einem Wechselspiel von CO2-Ausgasungen verschiedener Quellen und diverser CO2-Speicherprozesse über geologische Zeiten den engen Bereich von Bedingungen aufrechterhalten hat, die für das Leben förderlich sind.“

Niels Hovius blickt voraus: „Wenn wir die Rolle von Gebirgen an Plattengrenzen im Kohlenstoffkreislauf der Erde in einem allgemeineren Sinne untersuchen wollen, werden auch scheinbar einfache geologische Fragen einen ganzheitlicheren Ansatz erfordern. Von besonderem Interesse sind geologisch junge Gebirgsgürtel an Plattengrenzen, in denen Karbonatgesteine sowohl in Oberflächennähe als auch in der Tiefe vorherrschen dürften. Der heutige Mittelmeerraum und andere noch vergleichsweise junge Gebirgszüge wie der Indonesischen Inselgruppe weisen ähnliche geologische Gegebenheiten und Gesteinsarten auf wie der zentrale Apennin. Die nächste große Frage, die sich uns stellt, ist also, ob die Ausgasung in aktiven tektonischen Gebieten ein globales Phänomen in Raum und Zeit sein könnte.“