Magnetische zweidimensionale Schichten, die aus einer oder wenigen Atomlagen bestehen, sind erst seit kurzem bekannt und versprechen interessante Anwendungen, zum Beispiel für die Elektronik der Zukunft. Bislang jedoch gelingt es noch nicht gut genug, die magnetischen Zustände dieser Materialien gezielt zu kontrollieren. Ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam unter der Federführung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der TU Dresden stellt nun eine originelle Idee vor, mit der sich dieses Manko beheben ließe – und zwar indem man die 2D-Schicht mit Wasserstoff reagieren lässt.
2D-Materialien sind ultradünn, zum Teil bestehen sie aus einer einzigen Atomlage. Aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften bietet diese noch junge Materialklasse spannende Perspektiven für die Spintronik und die Datenspeicherung. 2017 entdeckte die Fachwelt eine neue Variante – 2D-Materialien, die magnetisch sind. Allerdings lassen sich diese Systeme bislang nur schwer durch gezielte chemische Einflüsse zwischen zwei magnetischen Zuständen hin- und herschalten – was die Voraussetzung für den Bau neuartiger elektronischer Bauteile wäre.
Um diesen Makel zu beheben, nahm ein Forschungsteam des HZDR und der TU Dresden um den Nachwuchsgruppenleiter Rico Friedrich eine spezielle Gruppe von 2D-Materialien ins Visier: Schichten, die aus Kristallen gewonnen werden, in denen relativ starke chemische Bindungen bestehen – sogenannte nicht-van der Waals 2D Materialien.
Vor 20 Jahren konnten die späteren Physiknobelpreisträger Konstantin Novoselov und Andre Geim erstmals ein 2D-Material gezielt herstellen: Mit Klebeband zogen sie von einem Graphitkristall eine dünne Schicht ab und isolierten dadurch einlagigen Kohlenstoff, sogenanntes Graphen. Der simple Trick gelang, weil im Graphit die einzelnen Schichten chemisch nur lose gebunden sind. Genau das macht es übrigens auch möglich, mit einem Bleistift Striche aufs Papier zeichnen zu können.
„Erst in den letzten Jahren gelang es mit flüssigkeitsbasierten Verfahren, einzelne Lagen von Kristallen abzulösen, in denen die Schichten viel stärker gebunden sind als in Graphit“, erläutert Rico Friedrich, Leiter der „DRESDEN-concept“ Forschungsgruppe AutoMaT leitet. „2D-Materialien, die man dadurch erhält, sind dann chemisch deutlich aktiver als zum Beispiel Graphen.“ Der Grund: Diese Schichten besitzen an ihrer Oberfläche ungesättigte chemische Bindungen und haben dadurch die starke Neigung, sich mit anderen Stoffen zu verbinden.
Aus 35 mach 4
Friedrich und sein Team kamen auf folgende Idee: Würde man die reaktionsfreudige Oberfläche dieser 2D-Materialien mit Wasserstoff reagieren lassen, sollten sich dadurch insbesondere die magnetischen Eigenschaften der dünnen Schichten gezielt beeinflussen lassen. Allerdings war unklar, welche der 2D-Systeme dafür besonders geeignet sind. Um das zu beantworten, durchforsteten die Fachleute ihre zuvor entwickelte Datenbank aus 35 neuartigen 2D-Materialien und stellten detaillierte und umfangreiche Berechnungen mit Hilfe der sogenannten Dichtefunktionaltheorie an.
Die Herausforderung war, die Stabilität der Wasserstoff-passivierten Systeme nach energetischen, dynamischen sowie thermischen Aspekten sicherzustellen und den korrekten magnetischen Zustand ausfindig zu machen – eine Aufgabe, die nur mit Unterstützung mehrerer Hochleistungs-Rechenzentren gelingen konnte.
Als die Fleißarbeit erledigt war, blieben vier vielversprechende 2D-Materialien übrig. Diese nahm die Arbeitsgruppe noch einmal genauer unter die Lupe. „Am Ende konnten wir drei Kandidaten identifizieren, die durch Wasserstoffpassivierung magnetisch aktivierbar sein sollten“, berichtet Friedrich.
Als besonders bemerkenswert erwies sich ein Material namens Cadmiumtitanat (CdTiO3) – es wird durch den Einfluss des Wasserstoffs ferromagnetisch, also zu einem Dauermagneten. Die drei mit Wasserstoff behandelten Kandidaten sollten sich magnetisch gut kontrollieren lassen und könnten somit für neuartige elektronische Komponenten taugen. Da diese Schichten extrem dünn sind, könnten sie sich gut in flache Bauelemente integrieren lassen – ein wichtiger Aspekt für mögliche Anwendungen.
Experimente sind schon auf dem Weg
„Im nächsten Schritt geht es darum, unsere theoretischen Erkenntnisse experimentell zu bestätigen“, erzählt Rico Friedrich. „Und das versuchen auch schon mehrere Forschungsteams, etwa an der Universität Kassel und am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden.“
Aber auch am HZDR und der TU Dresden gehen die Arbeiten an den 2D-Materialien weiter: Unter anderem tüfteln Friedrich und seine Leute an neuartigen 2D-Materialien, die langfristig für die Energieumwandlung und -speicherung relevant sein könnten. Im Fokus steht unter anderem die mögliche Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Der dadurch gewonnene grüne Wasserstoff könnte dann beispielweise als Energiespeicher für Zeiten fungieren, in denen bei Dunkelheit und Flaute zu wenig Solar- und Windstrom zur Verfügung steht.