Das erklärte Ziel der Dekarbonisierung der Stromversorgung kann nur erreicht werden, indem mehr regenerative Energien dezentral eingespeist werden. Damit werden bisherige Wege der Kraftwerkseinsatzplanung (der sogenannte (Re-)Dispatch, der ausgleicht, wer wann wie viel Strom liefert) nicht mehr ausreichen. Und diese Herausforderung wird größer, je größer die Zahl von einspeisenden Kleinsterzeugungsanlagen wie PV-Anlagen oder Heimspeichern wird. Ein verbesserter Datenaustausch im Energiesystem erzeugt erhebliche Effizienzgewinne und sorgt dafür, dass im System insgesamt weniger Energie gebraucht bzw. weniger Ausgleich von großen Stromschwankungen im Netz notwendig wird.
Weil der Netzausgleich heute vor allem von fossilen Kraftwerken geleistet wird, senkt der erhöhte Datenaustausch durch die verbesserte Koordination unmittelbar Treibhausgasemissionen. Daher ist die Arbeit an einem effizienten, sicheren Datenraum zum Datenaustausch vieler Anbieter und Verbraucher ein wichtiger Bestandteil der Energiewende.
Um die notwendigen Strukturen für einen effizienten und sicheren Datenaustausch zwischen allen Partnern im Stromsystem zu erproben, wurde im Projekt dena-ENDA (ENergy DAta Space) eine Referenzarchitektur für einen Energiedatenraum entwickelt und umgesetzt. Das heißt, es wurde ein sicherer virtueller Raum geschaffen, in dem alle Beteiligten an einem dezentralen Stromversorgungsnetz Daten austauschen können, um so Stromschwankungen, Nachfrage- und Erzeugungsanpassungen, den Re-/Dispatch, abzufedern. Das ist nötig, um die Versorgungssicherheit auch mit sich verändernden Rahmenbedingungen zu gewährleisten.
Das Future Energy Lab, das Pilotierungs- und Vernetzungslabor für Digitale Technologien der Deutschen Energie-Agentur (dena), hat in Kooperation mit der ifok GmbH, Bonn Consulting, Fraunhofer FIT und innogence business consulting ein Projekt zur Etablierung von Datenräumen in der Energiewirtschaft umgesetzt. In Zusammenarbeit mit den verschiedenen Akteuren, z.B. Verteilnetzbetreibern, Anlagenbetreibern oder Servicedienstleistern wurden technische Fragestellungen geklärt und eine Datenraum-Architektur entwickelt.
Prof. Dr. Jens Strüker, Professor für Wirtschaftsinformatik und Digitales Energiemanagement, und Dr. Marc-Fabian Körner, Postdoc Wirtschaftsinformatik, beide an der Universität Bayreuth und für das FIT tätig, haben das Projekt wissenschaftlich begleitet und den Bericht verfasst.
„Die Energiekrise hat schmerzlich den Mangel an digitalem Datenaustausch in der Energiewirtschaft aufgezeigt: Staatliche Unterstützung konnte nicht zielgenau erfolgen, da Energieverbrauchsdaten ebenso fehlten wie eine durchgängige digitale Kommunikation zwischen Haushalten, Unternehmen auf der Verbraucherseite und Energieversorgern auf der anderen Seite“, berichtet Strüker.
„Für den Energiesektor würde ein verbesserter Datenaustausch bedeuten, dass Daten diverser Energieerzeugungs- und Energieverbrauchseinheiten unterschiedlicher Größe unter definierten Richtlinien miteinander geteilt, ausgetauscht und weiterverarbeitet werden können.“ Mit dem nun bekannt gemachten Pilotprojekt wurde erstmals ein solcher Datenraum im deutschen Energiesektor eingerichtet.
Strüker erläutert: „Allgemein ermöglichen Datenräume den souveränen und selbstbestimmten Austausch von Daten über Unternehmensgrenzen hinweg. Sie nutzen bestehende Standards, Technologien und Governance-Modelle der Datenwirtschaft, um Datensicherheit, -souveränität, -interoperabilität und -übertragbarkeit sowie das Vertrauen zwischen den Akteuren in eine faire Software-Infrastruktur zu integrieren. Sie basieren auf einer dezentralen Software-Infrastruktur, die die notwendigen Software-Funktionalitäten innerhalb eines Ökosystems aus Akteuren bereitstellt. Datenräume bieten eine Grundlage zur Entwicklung von Smart Services und innovativen unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen.“
Die Bayreuther Wirtschaftsinformatiker arbeiten übergreifend an der Beantwortung der Frage nach neuen Ansatzmöglichkeiten für eine Echtzeit-Energiewirtschaft und damit für einen effektiven Klimaschutz, um hier einen Beitrag für Umwelt und Gesellschaft zu leisten. Durch die Realisierung von Datenräumen können neue Anwendungsfelder erschlossen und neu gedacht werden, z.B. um die Umsetzung von Energy Communities, d.h. die Optimierung und Umsetzung von Peer-to-Peer-Energiehandel, voranzutreiben oder die Abstimmung der Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen auf den lokalen Strommix und Lastprognosen besser abzustimmen.