Knapp ein Drittel aller Werbespots im Fernsehen werbe für klimaschädliche Produkte. Damit schade der deutsche Werbemarkt auf diesen Verbreitungswegen dem Klima und die Werbepraxis verstoße gegen den Medienstaatsvertrag. Zu dieser Aussage kommt ein Forschungsteam um Kommunikationswissenschaftler Dr. Uwe Krüger von der Universität Leipzig, das mit Unterstützung der Otto Brenner Stiftung tausende Werbespots auf die Umweltverträglichkeit der beworbenen Produkte hin untersucht hat. Die Studie „Reklame für Klimakiller. Wie Fernseh- und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt“ wurde nun veröffentlicht.
Die Forschenden haben Werbespots der größten deutschen Fernsehsender und auf YouTube analysiert und den CO₂-Fußabdruck der beworbenen Güter berechnet.
„Unsere Studie basiert auf 9.779 Werbespots, jeder einzelne davon wurde manuell codiert. Das sind knapp 52 Stunden ausgewertetes Videomaterial. Mit dieser enormen Datenbasis können wir die realistische Aussage treffen, dass der deutsche Werbemarkt im Fernsehen und auf YouTube dem Klima schadet“, sagt Autorin Katharina Forstmair.
30,3 Prozent, rund 3.000 Spots, appellierten an die Zuschauern, klimaschädliche Waren und Dienstleistungen zu erwerben beziehungsweise zu konsumieren. TV-Werbebeiträge machten im Schnitt deutlich häufiger für Klimasünder Werbung als ihre Pendants auf YouTube. In den ausgewerteten Werbeclips der aufrufstärksten Videos der größten deutschen YouTube-Kanäle wurde in rund jedem siebten Beitrag ein „Klimakiller“ angepriesen.
Einige Produktgruppen stellten sich als besonders klimarelevant heraus. So wurden 86 Prozent der Spots für Süßwaren klimaschädlichen Produkten zugeordnet, vor allem hat Schokolade einen recht großen CO₂-Fußabdruck. Aber auch Produkte rund um Autos (78%) und Drogerieartikel (72%) sind in großer Mehrzahl als klimaschädlich einzustufen. Mit dem Kauf eines einzigen der angepriesenen Artikel, so ein weiterer Befund der Studie, ist das unter dem zurzeit angestrebten Klimaziel (Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad) jedem Erdenbürger jährlich zustehende CO₂-Budget bereits aufgebraucht.
„Wir sind an Werbung für Autos, Flugreisen, Rindfleisch-Burger, Kaffee und viele andere emissionsstarke Produkte gewöhnt“, sagt Studienleiter Dr. Uwe Krüger. „Aber wenn man sich vor Augen führt, dass Werbung eine Form des Appells ist, wird die Absurdität deutlich: Wir appellieren an die Bevölkerung, weiter Klima-Killer zu kaufen und zu konsumieren, während die Klimakrise uns bereits Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen, Hitzetote und massives Artensterben beschert.“
Die Studie analysiert auch die Strategien, mit denen die Klimaschädlichkeit der Produkte unsichtbar gemacht oder sogar ins Gegenteil verkehrt werden:
„21 Prozent aller Werbespots für klimaschädliche Produkte warben zum Beispiel mit Bildern von Naturlandschaften und Wildtieren. Damit wird die Botschaft vermittelt, man tue etwas Gutes für die Umwelt, wenn man diese Produkte kauft“, konstatiert Autorin Alexandra Hilpert.
Das sei „irreführendes Greenwashing“. Insgesamt sehen die Wissenschaftler die Medienpolitik in der Bringschuld, verstößt doch die gegenwärtige Werbepraxis gegen Paragraf 8 des Medienstaatsvertrages. Dieser untersagt Werbung für Verhaltensweisen, die „in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden“.
Status Quo ist nicht zu rechtfertigen
„Der Medienpolitik steht eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente zur Verfügung, die es endlich ernsthaft zu diskutieren und konkret umzusetzen gilt“, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, welche die Studie gefördert und veröffentlicht hat. Verpflichtende Warnhinweise für klimaschädliche Produkte oder die Einführung eines dynamischen Preis- beziehungsweise Umlagesystems für Werbung gehören niederschwellig dazu. Aber je nach dem CO₂-Fußabdruck der beworbenen Güter sollte auch das „scharfe Schwert der Werbeverbote für bestimmte Produkte und Produktgruppen“ erwogen werden, fordert Legrand. Klar sei jedenfalls: „Der Status Quo ist nicht länger zu rechtfertigen.“