„Die Textilproduktion belastet also das gesamte Ökosystem“

Mitglieder des iGEM2024-Teams der HHU. HHU / Noah Ben Bulawa

Zum neunten Mal geht ein studentisches Team der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bei iGEM an den Start, dem internationalen studentischen Wettbewerb der synthetischen Biologie. In den kommenden sechs Monaten werden die diesjährigen Teammitglieder ein synthetisches Textilgewebe entwickeln, mithilfe einer Ko-Kultur aus Bakterien und Hefen. Das vorrangige Ziel der Studierenden ist, eine nachhaltige und gleichwertige Alternative zu Textilien aus konventioneller Textilproduktion zu erzeugen.

Textilien bilden einen festen Bestandteil des alltäglichen Lebens. Der Anbau von Rohstoffen wie Baumwolle, Leinen und Hanf ist fester Teil der Textilindustrie, ebenso wie heutzutage die Herstellung synthetischer Fasern wie Nylon und Polyester. Insbesondere angesichts des zunehmenden Konsums von Fast-Fashion-Produkten steht die Textilindustrie jedoch vor zahlreichen ökologischen Herausforderungen: Sowohl bei natürlichen als auch bei synthetischen Fasern benötigen die nachgelagerten Verarbeitungsschritte schädliche Chemikalien wie Bleichmittel, Farbstoffe und Weichmacher.

„Die Herstellung synthetischer Textilfasern erfolgt auf Basis fossiler, nicht-erneuerbarer Ressourcen wie Erdgas oder -öl. Sowohl bei der Produktion als auch der Entsorgung fallen Treibhausgase und Mikroplastik an“, erklärt Teammitglied Sofie Rüffer.

Zudem verbraucht der landwirtschaftliche Anbau von Textilrohstoffen noch verfügbare, ökologisch relevante Flächen und konkurriert mit dem Nahrungsmittelanbau. Darüber hinaus werden enorme Mengen begrenzter Wasserressourcen verbraucht, auch gelangen chemische Pestizide in die Böden und Gewässer. „Die Textilproduktion belastet also das gesamte Ökosystem“, so Rüffer.

Hier setzt das iGEM-Team2024 der HHU mit ihrem Projekt „KlothY“ an. Sie wollen den Herausforderungen der Textilindustrie mit der Entwicklung umweltverträglicher Produktionsverfahren begegnen. Der Name KlothY spielt an auf das Bakterium Komagataeibacter xylinus (kurz K. xylinus) sowie auf die beiden englischen Begriffe „Cloth“ (für das Textilgewebe) und „Yeast“ für die Hefe S. cerevisiae, den zweiten verwendeten Organismus.

Für die strukturelle Basis des Textilgewebes nutzen die jungen Forschenden die natürliche Fähigkeit des Bakteriums K. xylinus, reine bakterielle Cellulose (BC) zu produzieren – ein sogenanntes Glucosepolymer, welches mit über 90 Prozent auch in Baumwolle vorkommt. Das BC wird modifiziert durch zwei weitere Stoffe: Hemicellulose (HC) und Chromoproteine; durch sie werden die Eigenschaften der Cellulose regulierbar, so dass KlothY für vielfältige Anwendungen angepasst werden kann.

„Wir möchten mit KlothY nicht nur eine weitere nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Textilien bieten, sondern auch einen Ausblick auf die Textilien der Zukunft geben. Unser Projektziel ist, dass K. xylinus eine Art Leinwand in Form einer reinen Cellulosematte produziert, die unseren Ausgangsstoff für Kleidung bildet“, erläutert Teammitglied Noah Ben Bulawa. „Und dann kommt die Ko-Kultur ins Spiel: S. cerevisiae verleiht unserem Stoff die so wichtige Struktur und Farbe. Die Hefe synthetisiert verzweigte Fasern aus HC, sodass die darauf wachsenden BC-Stränge miteinander quervernetzt werden.“

Außerdem trägt sie ein zuvor transformiertes bakterielles Plasmid – also der DNA-Ring, in dem Bakterien unter anderem ihre genetische Information speichern –, welches Gene für drei farberzeugende Chromoproteine enthält.

s iGEM2024-Team bei der Laborarbeit. HHU / Joëlle Boecker und Robin Schüren

Auf diese Weise „wächst“ ein Textilstoff entsprechend spezifischer Anforderungen – wie Stabilität, Elastizität, Farbe und Wasserbeständigkeit – direkt in der Petrischale heran. Das resultierende Produkt bedarf keiner weiteren Verarbeitungsschritte der klassischen Textilveredelung, zu denen das Entkernen, Spinnen, Weben, Bleichen und Färben gehören.

„Selbst Textilien aus biologischem Anbau müssen veredelt werden, was nicht nur enorme Mengen Wasser verbraucht, sondern auch Farbstoffe und Chemikalien freisetzen kann. Ebenso ist die Logistik – von der Produktion im Ausland bis in die Läden – mit hohen CO2-Emissionen verbunden“, beschreibt Teammitglied Bianca Eickhorst den Hintergrund des diesjährigen Projekts. „Mit KlothY werden wir weniger abhängig von spezifischen Anbauorten, wodurch weite Transportwege vermieden werden können. Wir haben uns für ein Projekt entschieden, das eine nachhaltigere Textilproduktion auf vielfältige Weise angeht.”