Wenn blaugrüne Teppiche Flüsse und Seen überziehen, ist es mit dem Badevergnügen oft vorbei. Doch was tun gegen solche Massenentwicklungen von Cyanobakterien, umgangssprachlich auch Blaualgenblüten genannt? Bisher hat sich die Wissenschaft vor allem mit der Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen es zu diesem Phänomen kommen kann. Jetzt hat ein Forschungsteam unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in einer Übersichtsstudie zusammengetragen, welche Faktoren Algenblüten zum Abklingen bringen. Diese für eine technische Bekämpfung zu nutzen, ist jedoch aufwändig und der Erfolg ungewiss. Vorbeugung ist daher die beste Methode.
Massenentwicklungen von Cyanobakterien sehen nicht nur unschön aus, sie beeinträchtigen auch die Wasserqualität und damit die Nutzung der betroffenen Gewässer als Trinkwasserquelle und für Freizeitaktivitäten. Zudem können sie andere Lebewesen im Gewässer gefährden, indem sie an der Oberfläche Licht absorbieren und beim Absinken Sauerstoff für Abbauprozesse in der Tiefe verbrauchen. Einige Arten bilden sogar Giftstoffe.
So entstehen Blaualgenblüten: hohe Temperaturen, viel Licht, reichlich Nährstoffe:
Das Management von Blaualgenblüten ist schwierig, denn es gibt mehrere tausend Arten von Cyanobakterien, die sich in Aussehen, Eigenschaften und Ansprüchen stark unterscheiden können. „Zu wissen, welche Umweltfaktoren und Wechselwirkungen die jeweilige Blaualgenblüte im natürlichen Ökosystem reduzieren, ist entscheidend, um Algenblüten in Zukunft gezielter eindämmen zu können“, sagt IGB-Forscherin Dr. Stella Berger.
In der Regel entstehen Cyanobakterienblüten, wenn die Temperaturen und der Lichteinfall hoch sind und viele Nährstoffe (Phosphor und Stickstoff) das Wasser belasten. Diese Faktoren spielen natürlich auch beim Abklingen der Algenblüten eine Rolle. Es gibt aber noch viele andere physikalische, chemische und biologische Faktoren.
Und so können sie wieder abklingen:
1. Durchmischung und Starkregen können Algenblüten beenden:
Beispielsweise kann eine Durchmischung des Wassers eine Algenblüte beenden. Wie gut das funktioniert, hängt davon ab, ob es sich um eine Cyanobakterienart handelt, die sich hauptsächlich an der Wasseroberfläche ansammelt. Im Vergleich zu Arten, die in der Wassersäule verteilt sind, können auftreibende Arten leicht durch den Wind über weite Strecken zerstreut werden – Massenansammlungen lösen sich auf.
Regen kann Cyanobakterienblüten fördern, indem er mehr Nährstoffe ins Wasser spült, oder sie bremsen, indem er das Wasser stärker durchmischt. Einige freilebende Cyanobakterien reagieren empfindlich auf sturmbedingte Turbulenzen, während andere daran angepasst sind. Wenn die Gasvesikel einiger auftreibender Cyanobakterien durch den hydrostatischen Druck von Starkregen kollabieren, wird auch die Algenblüte unterbrochen.
2. Chemische Stoffe anderer Organismen als Waffe gegen Cyanobakterien:
Selbst die kleinsten Organismen im Wasser haben die Fähigkeit, durch die Abgabe von chemischen Substanzen die Dominanz anderer Lebewesen einzuschränken. Allelochemikalien, die eine Cyanobakterienblüte beeinflussen, werden von verschiedenen Organismen wie Wasserpflanzen, heterotrophen Bakterien, Pilzen, anderem Phytoplankton und Landpflanzen produziert. Einige aquatische Pilzarten bilden beispielsweise Sauerstoffradikale, die die Zellmembran schädigen und die Zellen verschiedener blütenbildender Cyanobakterienarten zerstören können.
3. Wenn die Cyanobakterien „krank“ werden:
Parasiten, Viren und Bakterien können Cyanobakterien auch direkt befallen und ihre Vermehrung einschränken. Ein Beispiel sind Cyanobakterien-Phagen, virusähnliche Partikel. Sie befallen vermutlich ein breites Spektrum von Wirtsarten und können Algenblüten innerhalb weniger Tage stoppen. Ein Co-Kultivierungsexperiment mit natürlichen Viruspopulationen und der Cyanobakterienart Microcystis zeigte einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Phagendichte und dem Absterben der Cyanobakterien, was zu einer 95-prozentigen Verminderung der Microcystis-Population innerhalb von sechs Tagen führte.
„Vielfältige Lebensgemeinschaften in Gewässern tragen also wesentlich zum Gleichgewicht der Organismengruppen bei und sind auf jeden Fall hilfreich, um Algenblüten in Schach zu halten“, sagt IGB-Forscher Dr. Danny Ionescu.
4. Schicksal: Gefressen werden:
Obwohl einige Cyanobakterienarten nicht sehr nahrhaft sind und Gifte produzieren können, werden sie dennoch von größeren Lebewesen gefressen. Vor allem das Zooplankton grast die Algenteppiche regelrecht ab. Wasserflöhe zum Beispiel können sich im selben Ökosystem an die Giftstoffe der Cyanobakterien gewöhnen und sie als Nahrungsquelle nutzen.
Auch Muscheln können als Filtrierer Algenblüten eindämmen – darunter die in Europa und Nordamerika invasiven Dreikantmuscheln wie die Quaggamuschel. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Häufigkeit von Cyanobakterien nach der Invasion von Dreikantmuscheln um bis zu 58 Prozent zurückgehen kann. Auch einige Fischarten sind Fraßfeinde der Cyanobakterien.
5. Konkurrenz um Licht und Nahrung:
Mixotrophe Algen, also Algenarten, die sowohl Photosynthese zur Energiegewinnung betreiben als auch Zellen fressen, um Kohlenstoffverbindungen für ihr Wachstum zu gewinnen, können ebenfalls zum Absterben von Cyanobakterienblüten beitragen. Sie konkurrieren mit den Cyanobakterien um abiotische Ressourcen wie Licht und Nährstoffe, beeinflussen aber auch die Cyanobakteriendichte vor allem kleinerer Arten durch Fraß.
Management von Blaualgenblüten: Aufwändig bei ungewissem Erfolg:
Viele der oben genannten Mechanismen können im Prinzip im Gewässermanagement genutzt werden, um Algenblüten zu reduzieren. Alle Maßnahmen sind jedoch aufwändig und die Erfolgsaussichten ungewiss.
Einige Studien haben gezeigt, dass die künstliche Durchmischung in tieferen Seen eine wirksame Strategie sein kann. In flachen, nicht geschichteten Gewässern kann sie jedoch kontraproduktiv wirken, da dabei Phosphor aus den Sedimenten freigesetzt wird, der das Wachstum von Cyanobakterien fördert. Eine weitere physikalische Methode ist die Spülung, die die Verweildauer des Wassers im See verkürzt und in einigen Seen erfolgreich war. In Zeiten von Wasserknappheit ist sie jedoch nicht überall geeignet. Es gibt auch chemische Methoden, wie das Einbringen von Kupfersulfat und Wasserstoffperoxid.
„Diese sollten jedoch wegen unerwünschter oder unerwarteter negativer Auswirkungen auf andere Lebewesen im Gewässer vermieden werden“, sagt IGB-Forscher Professor Hans-Peter Grossart. Auch die biologische Kontrolle durch Fressfeinde sei eine Methode mit oft ungewissem Ausgang. „Schließlich lässt sich nicht kontrollieren, welche Arten von Phytoplankton Wasserflöhe oder Muscheln fressen oder filtrieren.“
Kein Standardverfahren: Vorbeugen ist besser als Behandeln:
Welche Methode die richtige ist, hängt vom Gewässer, der Art der Cyanobakterien und den jeweiligen Umweltbedingungen ab. Eine Studie aus dem vergangenen Jahr verglich die Effizienz, die Dauer und die Kosten verschiedener Ansätze zur Bekämpfung von Blaualgenblüten: Die gleiche Methode kann einen Effizienzunterschied von 30 Prozent aufweisen, aber verschiedene Ansätze zur Reduzierung der Blüten können einzeln oder in Kombination bis zu 100 Prozent der Biomasse der Algenblüte beseitigen.
„Schließlich ist es bei der Erwägung und Umsetzung jeglicher Art von Bekämpfungsmaßnahmen entscheidend, ökologisches Hintergrundwissen in die technische Planung einzubeziehen. Misserfolge sind häufig darauf zurückzuführen, dass die Komplexität des Themas unterschätzt wird, die Eigenschaften der verursachenden Cyanobakterien oder des Gewässertyps nicht berücksichtigt werden,“ sagt IGB-Forscherin Dr. Mina Bizic. Wie so oft ist Prävention das Mittel der Wahl – also Nährstoffeinträge reduzieren, natürliche Prozesse unterstützen und Biodiversität fördern.
Mehr oder weniger Algenblüten im Zuge des Klimawandels?
Der Klimawandel begünstigt das Wachstum von Cyanobakterien durch höhere Temperaturen, eine stabilere und länger anhaltende thermische Schichtung von Seen, Nährstoffbelastungen und Veränderungen in der Dynamik des Nahrungsnetzes. Studien haben jedoch widersprüchliche Ergebnisse gezeigt: Einige stellten eine Zunahme von Cyanobakterien fest, andere nicht. Denn nicht nur Wachstums-, sondern auch Verlustprozesse können angeregt werden: So führen höhere Temperaturen mitunter auch zu höheren Infektionsraten, die die Ausbreitung der Cyanobakterien kompensieren.
„Tatsächlich müssen wir nicht nur die Wachstums-, sondern auch die Verlustprozesse stärker berücksichtigen, um den Nettoeffekt des Klimawandels auf die Entwicklung von Algenblüten zu verstehen“, fasst IGB-Forscherin Dr. Stella Berger zusammen. Eine geeignete Methode, um die Entstehung und das Absterben von Blaualgenblüten zu überwachen, ist übrigens die Fernerkundung. „Kameras auf Satelliten oder Drohnen helfen, den Chlorophyll-a-Gehalt von Gewässern abzuschätzen und so die räumliche und zeitliche Verteilung der Algenbiomasse zu bestimmen“, betont IGB-Forscher Dr. Igor Ogashawara.