Ökologische Wechselwirkungen zwischen Organismen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Artenvielfalt, wirken aber nur kleinräumig und können fossil kaum beobachtet werden. Forscherinnen und Forscher vom Museum für Naturkunde Berlin haben nun versucht dieses Problem zu lösen. Ihre in der Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Science) veröffentlichte Studie gibt Aufschluss darüber, welche biologischen Faktoren zu welchem Zeitpunkt in der Erdgeschichte Diversifizierungsprozesse in Gang gehalten haben.
Tiere stehen miteinander in intensiven Wechselbeziehungen, welche direkten Einfluss auf die Biodiversitätsentwicklung haben können. Das Zusammenspiel aus Konkurrenz, Jagddruck oder der Eroberung neuer Nischen befeuert oder bremst den Artenreichtum in Ökosystemen. Die evolutiven Auswirkungen dieser Prozesse spielen sich auf längeren Zeitskalen ab, was die Betrachtung der Biodiversitätsgeschichte vergangener Erdzeitalter erfordert. Im Fossilbericht lassen sich solche Effekte jedoch nur schwer nachweisen. Wissenschaftler unter der Leitung von Richard Hofmann vom Museum für Naturkunde Berlin haben nun versucht, so nah wie möglich an die räumliche Auflösung von Meereshabitaten in der geologischen Vergangenheit heranzukommen und mit Hilfe von Diversitätsanalysen indirekt auf biologische Wechselwirkung zu schließen.
Die Forschenden nutzten die Datenfülle globaler Fossilvorkommen der PBDB (Paleobiology Database) und rekonstruierten verschiedene Diversitätsmaße für 340 geologische Formationen aus den letzten 540 Millionen Jahren. So lässt sich testen, wie hohe Diversitäten in fossilen Ökosystemen erreicht wurden: entweder durch eine lokale Anreicherung von Arten in Habitaten, die jedoch insgesamt wenig abwechslungsreich sind, oder durch eine Aneinanderreihung von artenarmen, aber untereinander sehr variablen Habitaten. Vergleicht man diese Muster in der Diversitätsverteilung in vielen geologischen Formationen, kann der Einfluss von ökologischen Effekten wie Konkurrenz- oder Jagddruck abgeschätzt werden.
In der in PNAS veröffentlichten Studie konnten die Forscherinnen und Forscher zunächst zeigen, dass der Anstieg der Gesamtdiversität immer vor allem durch einen Anstieg der lokalen Artenanzahl bestimmt wird. So findet sich keine lokale Sättigung in der Artenanzahl, woraus sich ableiten lässt, dass zwischenartliche Konkurrenz kein limitierender Faktor ist. Im Gegenteil: Konkurrenz sorgt dafür, dass sich Arten in Ökosystemen auf Einzelhabitate spezialisieren, welche in Folge dessen in ihrer Zusammensetzung unterschiedlicher und damit insgesamt diverser werden. Dieser Effekt lässt sich jedoch nur bis in mittlere Diversitätsbereiche beobachten. „Daraus können wir schließen, dass zwischenartliche Konkurrenz nur bis zu einer bestimmen Gesamtartenanzahl eine Rolle spielen kann. Ist diese Grenze einmal erreicht, lässt sich die Artenanzahl in einem Ökosystem nicht durch weitere Spezialisierung seiner Bewohner steigern“, erklärt Richard Hofmann vom Museum für Naturkunde Berlin. Noch mehr Arten lokal unterzubringen klappt aber anscheinend immer: So war es überraschend, dass die Diversität hier unbegrenzt scheint. Insbesondere in jüngeren Ablagerungen der letzten 100 Millionen Jahre finden sich die artenreichsten Ökosysteme des betrachteten Zeitraums unter nur noch geringfügigen Veränderungen der Faunenzusammen-setzung. Die Häufung dieses Musters in der Diversitätsverteilung seit der Kreidezeit geht mit einer prinzipiellen Komplexitätszunahme in marinen Lebensräumen einher. Der zunehmende Druck durch Räuber bzw. die Reaktion der Beutetiere trieb die Erschließung neuer ökologischer Nischen an, was sich in einer Zunahme der biologischen Vielfalt widerspiegelt.
Hohe Diversitäten in fossilen Ökosystemen
Die Erkenntnisse sind wichtig um zu verstehen, welche ökologischen Rahmenbedingungen herrschen müssen, um biologisch gesteuerte Artbildungsprozesse in Gang zu halten. So bestätigen die Forscherinnen und Forscher mit ihrer Arbeit ein Diversifizierungsmodell, welches darauf hinweist, dass Konkurrenz ihren Einfluss auf Diversifizierungsprozesse nach immensen Artverlusten verliert.