Die Verschleppung von Tier- und Pflanzenarten in neue Regionen durch den Menschen nimmt weltweit rasant zu. Manche dieser nicht heimischen Arten, wie zum Beispiel das Grauhörnchen, haben weitreichende Auswirkungen auf die Natur, da sie heimische Arten verdrängen. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main hat nun herausgefunden, dass es in Gebieten indigener Bevölkerungen deutlich weniger nicht heimische Arten gibt als in vergleichbaren anderen Naturräumen.
Tausende Pflanzen- und Tierarten sind mittlerweile in fremden Regionen ansässig, weil sie durch Menschen eingeschleppt wurden. „Einige nicht heimische Arten werden für heimische Arten zum Problem – als Räuber, Konkurrenten um Nahrung und Lebensraum oder Überträger von Krankheiten“, erläutert der Biodiversitätsforscher und Erstautor der Studie Dr. Hanno Seebens vom Institut für Allgemeine und Spezielle Zoologie der JLU.
Die Forschenden gingen der Frage nach, ob in Gebieten, die von indigenen Bevölkerungen verwaltet werden, weniger fremde Arten zu finden sind als in vergleichbaren anderen Regionen. Zur indigenen Bevölkerung zählten sie alle Ethnien, die meist schon lange vor der Ankunft der Europäerinnen und Europäer diese Regionen besiedelt haben – also etwa die Native Americans, die Aborigines Australiens oder die Samen in Skandinavien.
Weltweit werden 28 Prozent der Landoberfläche von indigenen Bevölkerungen besiedelt, wobei sich ein Großteil dieser Gebiete in entlegenen Regionen der Erde befindet. Viele dieser Gebiete sind für den Erhalt der Artenvielfalt von enormer Bedeutung, liegen sie doch häufig in Hotspots der Artenvielfalt wie im Amazonas Becken oder in Wildnisgebieten der Arktis.
„Auf Gebieten, die von indigenen Bevölkerungen verwaltet werden, fällt der Verlust der Biodiversität deutlich geringer aus, da diese Naturräume nachhaltiger genutzt werden“, so Dr. Aidin Niamir, Mitautor der Studie von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
Die Forscherinnen und Forscher haben Millionen von Datenpunkten zur Verbreitung nicht heimischer Pflanzen- und Tierarten analysiert. „Das Ergebnis war eindeutig“, sagt Niamir. „Auf Gebieten indigener Bevölkerungen fanden wir ein Drittel weniger nicht einheimische Arten als in vergleichbaren Gebieten.“ Diesen enormen Unterschied führen die Forschenden vor allem auf geringere Landnutzung, einen höheren Anteil an Wäldern und ein geringeres Verkehrsnetz in indigenen Gebieten zurück.
„Die Ergebnisse zeigen, dass eine nachhaltige Landnutzung enorm dazu beiträgt, die Ausbreitung nicht heimischer Arten zu verhindern“, so Seebens. „Indigene Bevölkerungen nutzen ihre Regionen meist traditionell und nachhaltig. Unsere Studie verdeutlicht, dass der Schutz der Rechte dieser Bevölkerungen auch für den Schutz der Biodiversität essenziell ist – etwa in Gebieten wie der Amazonasregion oder in Südostasien, wo der Raubbau an Wäldern ein massives Problem darstellt.“
Beteiligt an der Studie waren neben dem Forschungsteam aus Gießen und Frankfurt am Main auch Forschende aus Österreich, Ungarn, den USA und Australien.