Ein Team der TU Graz hat das Gefahren- und Schadenspotenzial von Wasserstofffahrzeugen in Tunneln untersucht und daraus Empfehlungen abgeleitet. Fazit: Etwaige Schäden wären groß, ihr Eintreten aber wenig wahrscheinlich.
Neben Elektrofahrzeugen gelten auch mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge als Alternative zu Gefährten mit Verbrennungsmotor. Mit einer Zunahme solcher Autos mit Brennstoffzellen (Fuel Cell Electric Vehicles – FCEVs) ergäben sich aber auch völlig neue Gefahrenszenarien, speziell in Tunneln.
Die TU Graz hat im Projekt HyTRA untersucht, welche Arten von Zwischenfällen mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen in Tunneln realistisch sind, welche Gefahren für Menschen und Tunnelstruktur entstehen und mit welchen Maßnahmen diese Risiken minimiert werden können. Gefördert haben das Projekt die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG, das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sowie die ASFINAG.
Geringe Eintrittswahrscheinlichkeit, hohes Schadenspotenzial
Zu realen Unfällen von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen in Tunneln gibt es wegen ihres bislang geringen Verkehrsanteils so gut wie keine empirischen Daten. Daher konnte bezogen auf die Eintrittswahrscheinlichkeit nur eine grobe Einschätzung auf Basis von Erfahrungen mit gasbetriebenen Fahrzeugen erfolgen, die auf eine geringe Wahrscheinlichkeit hindeutete. Im Vergleich dazu wurde das potenzielle Schadensausmaß unter anderem auf Basis von Experimenten des 2022 beendeten EU-Projekts HyTunnel-CS mit einem hohen Detailgrad untersucht: Durch die hohe Energiedichte von Wasserstoff und den hohen Druck, mit dem er gespeichert ist, haben FCEVs ein sehr hohes Schadenspotenzial.
Nach aktuellem Standard ist Wasserstoff in Pkw mit 700 bar Druck gespeichert, in Lkw und Bussen mit 350 Bar. Tritt ein Schaden an einem Tank auf, wird schnell sehr viel Energie frei, gerät Wasserstoff in Brand, verbrennt dieser bei Temperaturen von über 2000 Grad Celsius. Die Tanks sind zwar sehr robust und gut vor mechanischer Einwirkung geschützt, aber einem Auffahrunfall mit einem Lkw halten auch sie nicht stand. Dieses Szenario soll daher möglichst vermieden werden.
Drei Gefahrenszenarien
Der wahrscheinlichste Ausgang bei einem Unfall mit einem FCEV ist, dass mit keinen nennenswerten Auswirkungen durch den Wasserstoff zu rechnen ist. Bei schweren Unfällen können jedoch drei verschiedene Gefahrenszenarien eintreten. Im ersten Fall springt bei steigendem Druck in Folge einer thermischen Einwirkung (z.B. Fahrzeugbrand) das sogenannte Thermal Pressure Relief Device (TPRD) an, das den Wasserstoff in einem kontrollierten Strahl aus dem Tank ablässt. So hält es den Druck auf einem gewissen Niveau und vermeidet eine Tankexplosion.
Entzündet sich der abgelassene Wasserstoff – was bei der Vermischung mit Luft leicht geschehen kann -, richtet sich die Flamme auf einen festen Punkt am Boden. Es bleibt dennoch gefährlich, da Wasserstoff farb- und geruchlos verbrennt. Der Gefahrenbereich ist allerdings eingeschränkt. Versagt das TPRD, kann der Tank explodieren, wobei eine Druckwelle entsteht, die sich durch den gesamten Tunnel ausbreitet: Innerhalb von ca. 30 Metern besteht dabei Lebensgefahr, bis etwa 300 Meter die Gefahr von schweren inneren Verletzungen wie Lungenblutungen, weiter entfernt drohen immerhin noch geplatzte Trommelfelle.
Das dritte Szenario ist das unwahrscheinlichste: Es tritt ein, wenn der Wasserstoff ungezündet freigesetzt wird. Als leichtestes Element im Periodensystem steigt der Wasserstoff auf und sammelt sich unter der Tunneldecke in einer Wolke. Befindet sich dort eine Zündquelle (z.B. heiße Lampen oder ein elektrischer Impuls durch den Start eines Lüfters), folgt eine Wasserstoffwolkenexplosion, die ebenfalls eine Druckwelle verursacht.
Weniger Tempo und genügend Abstand
„Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Gefahrenszenarien mit Wasserstofffahrzeugen zwar relativ unwahrscheinlich sind, aber ein großes Schadenspotenzial bergen. Moderne Wasserstofftanks sind so sicher gebaut, dass wirklich viel schiefgehen muss, damit der Wasserstoff austritt“, sagt Daniel Fruhwirt vom Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme der TU Graz. „Zudem erfüllt die Verkehrsinfrastruktur in österreichischen Tunneln wohl die striktesten Anforderungen in Europa. Da wir nur einen Betreiber für alle Autobahn- und Schnellstraßentunnels haben, ist das Sicherheitsniveau auch sehr homogen. Infrastrukturseitig sind mögliche Schäden an der Tunnelstruktur kaum zu befürchten, für den Menschen wären Unfälle allerdings gefährlich.“
Um die Risiken zu minimieren, hat das Projektteam um Daniel Fruhwirt mehrere Maßnahmenempfehlungen: Strengere Tempolimits, die mit Section Control überwacht werden, genaue Abstandskontrollen, die den Fahrer*innen visualisieren, wenn sie zu dicht auffahren, und bei Stausituationen bereits früher angezeigte Tempolimits, damit die Geschwindigkeit beim Ankommen am Stauende bereits niedrig genug ist, um im Falle eines Auffahrunfalls nur geringe Schäden zu verursachen.
„Was als Folge der schweren Ereignisse am Ende der 1990er- und frühen 2000er-Jahre in den meisten EU-Mitgliedstaaten bereits umgesetzt ist: Alle Tunnel auf Autobahnen und Schnellstraßen mit einer Länge über 500 Meter sind zweiröhrig ausgebaut und werden im Regelfall nicht mehr im Gegenverkehr betrieben. Das reduziert das Risiko erheblich“, erklärt Daniel Fruhwirt.