Fischerei-Schleppnetze verursachen erhebliche CO2-Emissionen, da sie den im Meeresgrund gebunden Kohlenstoff stark aufwirbeln und so wieder freisetzen. Zudem ist offenkundig, dass sie auch Ökosysteme im Ozean drastisch beeinflussen. Eine neue Studie des Helmholtz-Zentrums Hereon modelliert den Einfluss von Grundschleppnetzen auf sedimentären Kohlenstoff in der Nordsee. Sie zeigt außerdem: Einschränkungen der Fischerei in bestimmten Gebieten kämen dem Leben im Ozean und an Land zugute.
Was würde passieren, wenn Grundschleppnetzfischerei in allen derzeit ausgewiesenen Meeresschutzzonen verboten wäre? Die Schleppnetze verursachen in der Nordsee durch das Aufwirbeln von organisch gebundenem Kohlenstoff, jährlich CO2-Emmissionen in der Größenordnung von einer Million Tonnen die in die Atmosphäre gelangen.
„Das ist im Vergleich zu anderen Studien zurückhaltend geschätzt und entspricht den Emissionen der Dieselmotoren der Fischereiflotte selbst“, sagt Küstenforscher und Erstautor Lucas Porz vom Institut für Küstensysteme – Analyse und Modellierung am Hereon.
Aktuelle Meeresschutzzonen hätten nur geringen positiven Einfluss auf Kohlenstoffspeicher. Doch durch die Ausweisung von „Kohlenstoffschutzzonen“ könnten sowohl sedimentärer Kohlenstoff als auch Lebensräume effektiv geschützt werden.
Manche Gebiete seien besonders empfindlich gegenüber dem Druck aus der Fischerei, so zum Beispiel das Skagerrak zwischen der Nordküste Jütlands, der Südküste Norwegens und der nördli-chen Westküste Schwedens. Und auch Teile der Deutschen Bucht. Das sind vor allem Gebiete, die einen hohen Anteil an Schlick im Sediment aufweisen und biologisch produktiv sind, etwa durch ein starkes Mikroalgenwachstum.
Die Grundschleppnetzfischerei ist der wichtigste unmittelbare menschliche Eingriff in den Kohlenstoffhaushalt der Meere. Da es nur wenige Studien zu dem Thema gibt, die teils hoch umstritten sind, stößt die Hereon-Studie in eine Lücke. Sie will eine realisti-sche Abschätzung geben, um den Diskurs voranzutreiben. Bisher haben sich experimentelle Stu-dien auf lokale Auswirkungen beschränkt. Das Hereon konnte diese nun aber auf die gesamt Nordsee ausweiten und den umfassenden Effekt erstmals bemessen. Vor allem die Umverteilung des aufgewirbelten Kohlenstoffs durch Strömungen wurde bisher nicht berücksichtigt, obwohl das einen großen Einfluss auf den Gesamteffekt und damit das Klima hat.
Methodisches Vorgehen
Porz und sein Team sichteten zuerst alle verfügbaren Daten und Studien zur Fischereiaktivität in der Nordsee und deren Einfluss auf Sedimente und am Boden lebende Tiere wie Garnelen und Muscheln. Diese Effekte wurden in Computermodelle eingefügt, die die Verteilung von Tieren, Sedimenten, und organischem Kohlenstoff und ihre Wechselwirkung mit den Meeresströmungen simulieren.
Durch den Vergleich der Simulationen mit und ohne Grundschleppnetzfischerei konnten die Forschenden den Einfluss abschätzen. Um die Auswirkungen möglicher Managementmaßnahmen zu untersuchen, verteilten sie die Fischereiaktivität im Modell so um, dass sie potenziellen Verbotszonen in umliegende Gebiete ausweicht.
Konsequenzen und Handlungsempfehlungen
Der effektivste Weg, zusätzliche Emissionen zu verringern, wäre die Meidung klar erfasster kohlenstoffreicher Schlickgründe durch die Fischerei. Ferner gibt es alternative Fangmethoden und -geräte, die einen deutlich geringeren Einfluss auf den Meeresboden und die dort lebenden Tiere haben.
„Die Grundschleppnetzfischerei in der Nordsee wird seit mehr als 100 Jahren intensiv praktiziert und es ist daher schwer zu sagen, wie genau das Ökosystem dadurch bereits verändert wird“, fügt Porz hinzu.
Ob es zum Beispiel auch positive Ökosystemauswirkungen durch die Grundschleppnetzfischerei geben könnte, etwa durch erhöhte Verfügbarkeit von Nährstoffen in der Wassersäule, wird gegenwärtig am Hereon untersucht. Man wisse aber, dass etwa ein Fünftel der Meeresbodenbewohner den Kontakt mit einem Grundschleppnetz nicht überleben.
Laut seiner Studie würde es ohne Grundschleppnetzfischerei rund 14 Prozent mehr Tiere am Meeresboden geben. Außerdem werden die Habitate durch die Fanggeräte verändert. Schlickgründe sind stärker betroffen als Sandgründe, da das Fanggerät in Schlick tiefer eindringt und es länger dauert, bis es sich erholt hat. Auch die Zusammensetzung der am Meeresboden lebenden Gemeinschaften verändert sich.
Bisher wurde die Ökosystemdienstleitung der Kohlenstoffspeicherung bei der Ausweisung von Meeresschutzzonen noch nicht berücksichtigt. Es gibt Anzeichen, dass sich das ändern könnte, etwa mit dem „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ (ANK) der deutschen Bundesregierung, das Fördermaßnahmen zur Stärkung der Klimaschutzleistungen von Ökosystemen umsetzt.
„Auch dort spielen Meeresbodensedimente noch eine untergeordnete Rolle, obwohl wir denken, dass diese eine effektivere und langfristigere Kohlenstoffsenke darstellen als etwa Moore oder Wälder“, sagt Lucas Porz.