In den 1990er-Jahren dokumentierten Wissenschaftler die weltweite Ausbreitung von Trocken- und Wüstengebieten im „World Atlas of Desertification“ (WAD). Gerade ist die dritte Auflage erschienen, die weit über diese ursprüngliche Absicht hinausreicht. Der dritte „World Atlas“ ist ein nachdenklich stimmender Zustandsbericht der globalen Umweltsituation.
„Wir müssen davon ausgehen, dass künftig noch mehr ökologische Lebensgrundlagen verloren gehen“, sagt Joachim Hill, Mitglied des sechsköpfigen internationalen Autorenteams des WAD. Der Professor für Umweltfernerkundung und Geoinformatik an der Universität Trier erwartet, dass von dieser Entwicklung Industrienationen wie die USA und Staaten in Europa nicht verschont bleiben. Sei es, dass sie von erhöhtem Migrationsdruck durch Klima- und Wirtschaftsflüchtlinge betroffen sind oder durch Verschlechterung von Bodenqualität und Ressourcen auf eigenem Territorium. „Vor dem Hintergrund des nicht mehr zu bestreitenden globalen Klimawandels geraten in Europa insbesondere die Mittelmeergebiete unter Druck. Auch die USA und Australien werden in ihren ausgedehnten Trockengebieten mit Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs und zurückgehenden Niederschlägen konfrontiert sein“, prognostiziert der Trierer Wissenschaftler.Seit der WAD 1997 zuletzt erschienen ist, war eine Vielzahl von landschaftsverändernden Prozessen zu beobachten. Dabei geht es nicht mehr ausschließlich um regional wirksame Effekte des Klimawandels und um unangepasste Formen der Landnutzung. „Im Rahmen einer globalisierten Wirtschaft sind sie in vielfacher Hinsicht von Entwicklungen abhängig, die weit entfernt, unter Umständen sogar auf anderen Kontinenten ablaufen“, stellt Professor Hill fest. Diese Komplexität stellt der Atlas heraus. Er dokumentiert auch Hintergründe wie Bevölkerungswachstum, intensivierte Land- und Forstwirtschaft sowie Ausbeutung von Ressourcen und zeigt Modelle zur Erklärung von Ursachen auf.
Neue Flächen können nur durch die rückhaltlose Ausbeutung erschlossen werden
Joachim Hill verdeutlicht die Problematik an zwei Beispielen: In Nordchina habe man auf die explosionsartig steigende Nachfrage nach Fleischnahrung mit einer massiven Expansion der Landwirtschaft reagiert. „Neue Flächen können nur durch die rückhaltlose Ausbeutung wertvoller Grundwasserreserven erschlossen werden, die zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels führen.“ In Südamerika werden seit Jahrzehnten wegen der weltweit steigenden Nachfrage nach Fleisch im Amazonasgebiet oder in Trockenwäldern Argentiniens und Paraguays ökologisch wertvollste Waldgebiete gerodet, um Flächen zur Rinderzucht oder zum Anbau von Futtermitteln zu gewinnen. Das anfallende Holz wird dann teils als Holzkohle zu Billigpreisen in den europäischen und nordamerikanischen Supermärkten angeboten.
Zur Person
Prof. Dr. Joachim Hill hat als Mitglied des Editorenteams die Gesamtkonzeption des „World Atlas of Desertification“ mitverantwortet und das Kapitel zu repräsentativen Fallstudien betreut. Sein Mitarbeiter Dr. Achim Röder und er sind darüber hinaus Autoren einiger im WAD erschienener Studien, in die langjährige Forschungsarbeit eingeflossen ist. Der Leiter des Fachs „Umweltfernerkundung und Geoinformatik“ der Universität Trier beschäftigt sich bereits seit den 1990er Jahren mit der Nutzung von Erdbeobachtungsdaten zur Identifikation von Prozessen der Verschlechterung der Ökosystemleistungen des Bodens in Südeuropa, Asien und Afrika.
Bei der Suche nach Ursachen für die problematische globale Umweltsituation nimmt Joachim Hill die Menschen in Europa mit in die Verantwortung: „Wir sind für einen bedeutenden Teil der Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Holzprodukten und Gütern verantwortlich, die in anderen Weltregionen erzeugten werden.“ Die am WAD beteiligten Wissenschaftler werden die globalen Entwicklungen im Auge behalten. Bis zur nächsten Auflage des WAD dürften wohl nicht erneut 20 Jahre vergehen.