Kunststoffe aus Polycarbonat sind wegen ihrer Vielseitigkeit und hohen Qualität begehrte Werkstoffe in der Industrie. Aber das Recycling der Kunststoffabfälle stößt derzeit noch an Grenzen, denn mechanische Recyclingverfahren generieren nicht für alle Anwendungen ausreichende Recyclat-Qualitäten. Fraunhofer-Forschende haben gemeinsam mit dem Chemieunternehmen Covestro Deutschland AG eine Methode entwickelt, mit der sich die Ausgangsstoffe der Polycarbonate zurückgewinnen lassen: In der katalytischen Pyrolyse, dem kontrollierten Erhitzen unter Sauerstoffausschluss, zerfallen die Plastikabfälle in ihre Bestandteile. Hersteller nutzen die Rohstoffe für die Herstellung neuer Kunststoffe.
Wer nach einem hochwertigen Kunststoff sucht, landet schnell bei Polycarbonat (PC). Dieses Material ist temperaturbeständig, schwer entflammbar, kratz- und abriebfest und widersteht sogar verdünnten Säuren. Außerdem besitzt es eine hohe Transparenz. Diese Eigenschaften machen Kunststoffe mit PC zu einem begehrten und vielseitig einsetzbaren Werkstoff in der Industrie. Deshalb suchen viele Hersteller nach Wegen, den wertvollen Werkstoff durch Recycling von Plastikmüll zurückzugewinnen. Doch herkömmliche Technologien wie das mechanische Recycling liefern nur unzureichende Recyclat-Qualitäten, die nicht mehr für die Herstellung hochwertiger Produkte geeignet sind.
Pyrolyse ermöglicht chemisches Recycling
Doch es gibt leistungsfähige Alternativen. Forschende am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS haben gemeinsam mit dem Chemieunternehmen Covestro Deutschland AG ein Verfahren zum chemischen Recycling von Polycarbonaten durch katalytische Pyrolyse entwickelt. Bei der Pyrolyse werden Stoffe unter Sauerstoffausschluss erhitzt. Als Folge zerfallen die Substanzen, und die Ausgangsbestandteile des Kunststoffs lassen sich zurückgewinnen.
Dr. Jörg Kleeberg, Wissenschaftler am Fraunhofer IKTS am Standort Freiberg, und sein Team haben das Verfahren im Rahmen des Projekts »PC2Chem« weiterentwickelt. »Ziel war, Polycarbonat-haltige Kunststoffe so zu recyceln, dass hochwertige Moleküle wiedergewonnen und als Rohstoffe in den Produktionskreislauf der Industrie zurückgeführt werden können«, sagt der Experte für Kohlenstoff-Kreislauf-Technologien.
Die Forschenden machen sich dabei den besonderen Aufbau der Polycarbonate zunutze. Diese bestehen aus Polymeren, einer Kombination miteinander verbundener Molekülgruppen, den Monomeren. Werden die Polymere in der Pyrolyse thermischer Belastung ausgesetzt, brechen die Bindungen an den Sollbruchstellen zu den hochwertigen Molekülen auf.
Industrietauglicher Drehrohrofen
Das Fraunhofer-Team nutzt für die Pyrolyse einen Drehrohrofen, der aufgrund seines robusten Aufbaus und seiner Größe auch größere Mengen verarbeiten kann. Die als Granulat von Covestro angelieferten Kunststoffabfälle werden in das rotierende Rohr eingeführt und darin erhitzt. Als Produkt entsteht zunächst ein Pyrolysegas, aus dem in einer Kondensationsanlage eine ölige Flüssigkeit abgeschieden wird. Daraus wiederum gewinnt der Projektpartner Covestro in einem Aufarbeitungsprozess die unterschiedlichen werthaltigen Moleküle.
Damit das Recycling im Drehrohrofen Produkte mit optimaler Zusammensetzung und Ausbeute liefert, musste das Forschenden-Team im Labor einige Hürden meistern. Die Aufspaltung der Kunststoffe bei hoher Temperatur ist ein hochkomplexer und empfindlicher Prozess.
Die Herausforderung für das Team des Fraunhofer IKTS bestand deshalb darin, die Parameter für den Pyrolysevorgang exakt einzustellen: Temperatur, Aufheiz- und Verweilzeit, Abkühlung, Druckverhältnisse oder auch das Beigeben von Hilfs- und Zusatzstoffen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kunststoffe mit Additiven versehen sind, darunter Farbstoffe, Aufheller, Flammschutzmittel, Substanzen, die Festigkeit oder Elastizität beeinflussen oder auch Lichtschutzmittel. All diese Zusatzstoffe machen die Behandlung im Drehrohrofen kompliziert.
Jörg Kleeberg sagt: »Wenn die Reaktionsprodukte aus der Pyrolyse im Drehrohrofen zu langsam abkühlen, werden die chemischen Prozesse nicht gestoppt, und die aufgespaltenen Moleküle bilden wieder neue Verbindungen. Erst wenn alle Parameter korrekt eingestellt und aufeinander abgestimmt sind, entsteht die gewünschte hohe Ausbeute an Zielprodukten. Wir haben deshalb zahlreiche Testreihen durchgeführt und so schrittweise den Prozess optimiert.«
Den Expertinnen und Experten des Fraunhofer IKTS kommt hier die langjährige Erfahrung in den Bereichen Hochtemperaturkonversion und Prozesstechnik zugute. Das Projekt PC2Chem ist auf einem guten Weg. Durch das Recycling werden bis zu 60 Prozent der ursprünglichen Bestandteile wiedergewonnen. Das System hat die Phase der ersten Laborversuche verlassen und wird gerade im Technikummaßstab erprobt.
Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft
Die neue Recycling-Technologie eröffnet der Industrie handfeste Vorteile. Das gewonnene Pyrolyse-Öl enthält für die chemische Industrie wichtige Plattformchemikalien wie Styrol oder Phenol. Für diese müssen derzeit noch fossile Rohstoffe aus Raffinerien genutzt werden. Auch Projektpartner Covestro ist von den Vorteilen überzeugt:
»Mit dem katalytischen Pyrolyse-Verfahren gewinnen wir aus unterschiedlichen PC-haltigen Abfällen wieder Rohstoffe für die Polycarbonatproduktion. Damit senken wir Kohlendioxid-Emissionen, sparen Energie und reduzieren die Kosten«, erklärt Dr. Stefanie Eiden, Projektleiterin Pyrolyse global.
Prof. Martin Gräbner, Abteilungsleiter Energie- und Verfahrenstechnik am Fraunhofer IKTS am Standort Freiberg, erklärt: »Die Pyrolyse soll die herkömmlichen Verfahren nicht ersetzen, sie ist vielmehr eine ideale Ergänzung, wenn es darum geht, aus Plastikresten neue Kunststoffe in hoher Qualität zurückzugewinnen. Das Pyrolyse-Verfahren ist ein großer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft in den Industriebranchen, die Kunststoffe verarbeiten.«
Das Team am Fraunhofer IKTS fasst bereits den nächsten Schritt ins Auge. »Wir sind in der Lage, das Pyrolyse-Verfahren auch auf andere Kunststoffe und Stoffgemische anzupassen. Industriekunden können mit ihrem Recycling-Problem zu uns kommen, wir entwickeln dann eine maßgeschneiderte Lösung«, sagt Jörg Kleeberg.