Auf fast das Zwanzigfache steigt aus heutiger Sicht bis 2050 der globale Bedarf an Kobalt und Lithium für E-Auto-Batterien. Der Aufbau fossilfreier Stromversorgung braucht viel Kupfer, Aluminium und Eisen, der entsprechende Bedarf dürfte sich in etwa verdoppeln. Und auch Seltene Erden, ohne die etwa Windräder nicht laufen, braucht man viel mehr. Eine Studie beleuchtet jetzt die absehbaren Zuwächse beim Materialverbrauch wegen der Klimawende und beschreibt, wie sich das abmildern lässt. Sie wurde geleitet vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).
„Zwar wird die Weltwirtschaft insgesamt durch die Dekarbonisierung weniger rohstoffintensiv als heute, weil sie ja aus Kohle, Öl und Gas aussteigt“, sagt Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und Leitautor der Studie.
„Doch die zusätzlichen Material-Bedarfe durch die Klimawende, die damit verbundene Förderung von Rohstoffen sowie die Abfallströme bringen beträchtliche ökologische und soziale Risiken auf regionaler und lokaler Ebene. Wir zeigen erstmals systematisch, dass sich durch nachfrageseitige Klimalösungen gegensteuern lässt – also etwa Verhaltensänderungen bei Mobilität, Wohnen und Ernährung und Ausbau der Materialkreisläufe in der Wirtschaft.“
Bisher findet nachfrageseitiger Klimaschutz (als Ergänzung zum Schaffen von fossilfreiem Energie-Angebot) vor allem wegen seiner Potenziale für schnelle Treibhausgas-Minderung zunehmende Beachtung – und weil er in der Regel mit steigender Lebensqualität einhergeht. Im aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC gibt es dazu erstmals ein eigenes Kapitel, das Creutzig federführend koordiniert hat. Die neue Studie, ein Gemeinschaftswerk von Fachleuten aus zehn Ländern, untersucht jetzt erstmals systematisch auch die damit verknüpften Potenziale für weniger Materialverbrauch bei der Klimawende.
Gestützt auf eine aufwendige Auswertung der wissenschaftlichen Literatur erstellte das Forschungsteam zunächst für jeden Rohstoff ein detailliertes Risiko-Profil. Dabei geht es etwa um den mit der Förderung einhergehenden Landverbrauch, um Gefahren für die Biodiversität und um den zum Teil enormen Wasserbedarf, aber auch um Gesundheitsschäden durch Giftstoffe oder schlechte Arbeitsbedingungen sowie um Folgeeffekte wie Korruption und politische Instabilität bis hin zu geopolitischen Abhängigkeiten. So ist das politisch extrem instabile Guinea verantwortlich für fast ein Viertel der weltweiten Produktion des Alu-Vorprodukts Bauxit. Im Bürgerkriegsland Kongo liegt die Hälfte der globalen Kobalt-Vorkommen. Und 90 Prozent der Halbleiter-Wafer für Solarzellen werden in China produziert.
Aufbauend auf dieser Risiko-Analyse beschreibt die Studie dann, über welche Wege nachfrageseitiger Klimaschutz die Dekarbonisierung materialschonender gestalten kann. So geht es im Verkehrssektor zum Beispiel um mehr gepoolte Mobilität. Im Gebäudesektor geht es etwa um natürliche Baumaterialien, Modernisierung von Altbauten und intensivere Wohnraum-Nutzung. Und bei der Ernährung bedeutet weniger Fleischkonsum nicht nur mehr Gesundheit, sondern auch weniger Materialverbrauch etwa in der Viehfutter-Produktion. Insgesamt geht es dabei nicht um Zwang, sondern um positive Anreize sowie um Investitionen in Infrastruktur, die klimafreundliches Verhalten erst möglich macht.
Die Einsparpotenziale beim Material zu quantifizieren und einzuordnen, ist laut der Studie jetzt ein drängendes Thema für weitere interdisziplinäre Forschung. „Die Integrierten Bewertungsmodelle, die die Zusammenhänge zwischen Klimapolitik und Klimaentwicklung beschreiben und über die Weltklimarat-Berichte letztlich Entscheidungsgrundlage für Regierungen sind, benötigen Updates“, sagt MCC-Forscher Creutzig.
„Solche Modelle sollten auch die Material-Dimension der CO₂-ärmeren und letztlich CO₂-freien Weltwirtschaft abbilden. Unsere Studie liefert immerhin schon ein klares Gesamtbild: Nachfrage-Lösungen wirken doppelt segensreich – gegen die Klimakrise und gegen die Plünderung des Planeten.“