Wenn Pflanzen oder Teile von ihnen absterben, tragen Milliarden kleiner Lebewesen dazu bei, dieses organische Material abzubauen. Doch nicht nur Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze sind am Zersetzungsprozess beteiligt, sondern auch einige wirbellose Tiere. Welche Voraussetzungen ihr Erbgut dafür bereithält, untersuchte nun ein Team von Forschern des hessischen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und weiterer Institutionen. Ihre Erkenntnisse tragen dazu bei, bessere Vorhersagen über den Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf im Boden zu treffen.
Wenn Pflanzen oder Teile von ihnen absterben, tragen Milliarden kleiner Lebewesen dazu bei, dieses organische Material abzubauen. Doch nicht nur Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze sind am Zersetzungsprozess beteiligt, sondern auch einige wirbellose Tiere. Welche Voraussetzungen ihr Erbgut dafür bereithält, untersuchte nun ein Team von Forscher*innen des hessischen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und weiterer Institutionen. Ihre Erkenntnisse tragen dazu bei, bessere Vorhersagen über den Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf im Boden zu treffen.
Sie leben in Heerscharen im Erdboden und sind durch eine Vielzahl von Arten vertreten: mikroskopisch kleine, wirbellose Bodentiere wie zum Beispiel Springschwänze und Hornmilben. Sie bauen organische Substanzen ab und setzen Nährstoffe für die Pflanzen frei. In einer Studie, die im Fachjournal „Molecular Ecology“ veröffentlicht wurde, haben Forschern nun entdeckt, dass ein weit größerer als bisher angenommener Anteil ihrer Arten auch direkt am Abbau von abgestorbenem Pflanzenmaterial beteiligt sein könnte. Diese Fähigkeit wurde bislang vor allem Bakterien und Pilzen zugeschrieben. Denn um Zellulose, den Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, zu zersetzen, müssen die Organismen bestimmte Enzyme herstellen können.
Bei detaillierten Genomanalysen unterschiedlicher Arten von Springschwänzen (Collembola) und Hornmilben (Oribatida) wiesen die Forschern in den meisten Arten exemplarisch ein Gen nach, das ihnen die Herstellung eines dieser speziellen Enzyme ermöglicht. Es gehört zu den sogenannten Glycosidhydrolasen, die für den Abbau komplexer Zuckermoleküle in einfachere Bestandteile verwendet werden. Auch Zellulose ist solch ein Vielfachzucker. Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler*innen 232 Arten von wirbellosen Bodentieren. Eine umfangreiche Ressource bot dafür das am LOEWE-Zentrum TBG angesiedelte Projekt „Metagenomic monitoring of soil communities (MetaInvert)“, das genomische Daten zu diesen bisher wenig erforschten Organismen bereitstellt.
„Neue genomische Analysemethoden verhelfen uns zu wichtigen Erkenntnissen über diese artenreiche Tiergruppe, die aufgrund ihrer kleinen Größe und enormen Vielfalt schwer zu erfassen ist”, berichtet Co-Studienleiter Ingo Ebersberger, Professor für Angewandte Bioinformatik am Fachbereich Biowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt und Mitglied des LOEWE-Zentrums TBG.
„Mithilfe bioinformatischer Analysen konnten wir alle Proben auf das gesuchte Gen prüfen, das die Tiere zur Zellulose-Aufspaltung befähigt.“ Zum Erfolg der Studie hat maßgeblich eine neue Software beigetragen, die von Ebersbergers Doktorandin und Studien-Erstautorin Hannah Mülbaier entwickelt wurde und es ermöglicht, gezielt und sehr präzise nach bestimmten Genen in Genomen zu suchen. „Neu ist dabei, dass mit dieser Software ein sehr komplexer sowie zeit- und arbeitsintensiver Schritt entbehrlich wird: die Vorhersage aller Gene in einem Genom. Stattdessen können wir nun direkt in einer Genomsequenz nach unseren Kandidatengenen suchen“, so Ebersberger.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit des Autoren-Teams der Studie ermöglicht dabei weitreichende Schlussfolgerungen.
„Bei unseren Vergleichen der Genome haben wir auch herausgefunden, dass die Fähigkeit zur Zersetzung von Zellulose bereits früh in der Stammesgeschichte der Arten erworben wurde. Die wirbellosen Bodentiere helfen daher vermutlich bereits seit langer Zeit entweder allein oder in Zusammenarbeit mit Pilzen oder Bakterien, die in ihrem Darm leben, beim Abbau der Pflanzenreste“, erklärt Co-Studienleiter Miklós Bálint, Professor für Funktionale Umweltgenomik am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, der Justus-Liebig-Universität Gießen und Co-Sprecher des LOEWE-Zentrums TBG.
„Bisher war über den Beitrag von Tieren zu diesem Zersetzungsprozess – über die rein mechanische Zerkleinerung hinaus – wenig bekannt. Unsere Ergebnisse geben nun einen Hinweis darauf, dass wirbellose Bodenlebewesen wie Springschwänze und Hornmilben angesichts ihres weltweit häufigen Vorkommens eine wichtige, bisher übersehene Rolle im Kohlenstoffkreislauf von Böden spielen“, so Bálint weiter. Denn der größte Teil des Kohlenstoffs, der auf dem Land bei der Photosynthese gebunden wird, ist in Pflanzen als Zellulose enthalten. Ihre Zersetzung findet überwiegend in Böden statt, wodurch der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre gelangt.
Die neuen Erkenntnisse wirken sich entsprechend auf das Verständnis der Nahrungsnetze und des Kohlenstoffkreislaufs im Boden aus. Daher plädieren die Studienautoren dafür, wirbellose Bodentiere neben Bakterien und Pilzen als eine dritte evolutionär und ökologisch eigenständige Gruppe mit der Fähigkeit zur Spaltung von Zellulose zu betrachten. Besonders wichtig sei dies, da diese Tiere anders auf Umweltveränderungen reagieren als Mikroorganismen und sich dadurch die Prozesse der Zersetzung verändern könnten. Daher seien die Daten auch für die Berechnung von Modellen von großer Bedeutung, die Vorhersagen zur Entwicklung von Ökosystemen sowie Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufen treffen.