Eine neue Studie, zeigt, dass Grün- und Ackerland besser verschiedene Leistungen gleichzeitig erbringen könnten, wenn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Düngemitteln verringert wird. Diese Ergebnisse gelten auch unter möglichen zukünftigen Klimabedingungen, so die Forschenden vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Universität Leipzig (UL) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU).
Die Studie beschäftigt sich erstmals mit verschiedenen ökologisch-ökonomischen Messgrößen für Multifunktionalität, welche die Präferenzen unterschiedlicher Interessengruppen für verschiedene Ökosystemleistungen berücksichtigen. So legen beispielsweise Landwirte mehr Wert auf die Lebensmittelproduktion als andere Interessengruppen. Darüber hinaus profitiert die Gesellschaft insgesamt von regulierenden Ökosystemleistungen, etwa der Kohlenstoffbindung oder dem Erhalt der Wasserqualität.
Es gibt Debatten darüber, welche Art der Bewirtschaftung den diversen gesellschaftlichen Interessen am ehesten gerecht wird. Eine intensive Bewirtschaftung nutzt mineralischen Dünger und synthetische Pestiziden, um den Ertrag zu steigern. Solche Hilfsmittel werden bei einer extensiven Bewirtschaftung vermieden. Jede Art der Bewirtschaftung hat ihre Vor- und Nachteile: Eine intensive Bewirtschaftung kann zu höheren Erträgen führen, aber auch zu Umweltbelastungen; eine extensive Bewirtschaftung kann dagegen aufgrund des geringeren Ertrags mehr Fläche benötigen.
„Dank des Designs unserer Studie konnten wir den Einfluss zentraler Elemente des globalen Wandels, wie Landnutzungsänderung und Klimawandel, auf die Bereitstellung verschiedener Ökosystemleistungen untersuchen“, sagt Erstautor Friedrich Scherzinger, Alumnus von iDiv und der UL. „Diese Ökosystemleistungen sind für das menschliche Wohlbefinden unabdingbar. Indem wir ökonomische und ökologische Forschungsansätze vereinen, kommen wir zu einem ganzheitlicheren Bild der vielen miteinander verbundenen Elemente eines Ökosystems.“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten eine großes Feldexperiment-Anlage mit fünf Landnutzungstypen unter zwei verschiedenen Klimaszenarien (aktuelles und mögliches zukünftiges Klima): die vom UFZ betriebene Global Change Experimental Facility (GCEF). Um die ökologische Multifunktionalität zu bewerten, wurden 14 Ökosystemfunktionen untersucht, etwa die Bindung von Stickstoff oder die oberirdische Biomasseproduktion. Zur Bewertung der ökonomischen Multifunktionalität ermittelte das Team den finanziellen Gesamtwert der sechs Ökosystemleistungen Lebensmittelproduktion, Kohlenstoffbindung, Wasserqualität, Bodengesundheit, Erhalt der Biodiversität und Landschaftsästhetik.
„Die Global Change Experimental Facility ist ein einzigartiges Experiment“, sagt Koautor und GCEF-Koordinator Dr. Martin Schädler, Ökologie bei UFZ und iDiv. „Damit können wir direkt vergleichen, wie verschiedene Landnutzungstypen unter standardisierten Bedingungen auf den Klimawandel reagieren – ohne Störeffekte durch ungleiche Bedingungen vor Ort. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn wir intensive und extensive Systeme vergleichen wollen, denn in der realen Welt unterscheiden sich die Bedingungen oft erheblich.“
Da die Wissenschaftler die Präferenzen von Landwirten, Anwohnern, Umweltschützern und Tourismusverbänden von vornherein berücksichtigten, konnten sie die Ökosystemleistungen umfassender bewerten als bei einer rein ökonomischen Betrachtung.
„Höhere Level an Biodiversität wirken sich stabilisierend auf die Biomasseerträge aus und machen diese weniger störungsanfällig, ähnlich wie bei einem diversifizierten Anlageportfolio“, sagt Prof. Dr. Martin Quaas, Wirtschaftswissenschaftler bei iDiv und der UL und Senior-Autor der Studie. „Auf diesem Effekt basieren unsere Berechnungen zum natürlichen Versicherungswert der Biodiversität.“
Die Ergebnisse legen nahe, dass der zukünftige Klimawandel und eine intensive Bewirtschaftung die ökologische Multifunktionalität von Grün- und Ackerland verringern. Insgesamt ist der wirtschaftliche Nutzen der Ökosystemleistungen bei einer extensiven Bewirtschaftung ungefähr 1,7- bis 1,9-mal höher als bei einer intensiven Bewirtschaftung, und zwar sowohl bei Grün- als auch Ackerland.
Berücksichtigt man jedoch nur die Präferenzen der Landwirte, dann steigt die Multifunktionalität von Grünland durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Stickstoffdünger. Die Ergebnisse beruhen auf dem Vergleich pro Einheit Fläche; wegen der unterschiedlichen Produktivität intensiver und extensiver Landwirtschaft könnte ein Vergleich pro Einheit Ertrag anders ausfallen.
Das Forschungsteam untersuchte auch die Beziehung zwischen Bodenbiodiversität (die Vielfalt des Lebens im Boden) und ökologischer Multifunktionalität bei verschiedenen Landnutzungstypen und unter aktuellen sowie möglichen zukünftigen Klimabedingungen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Bodenbiodiversität einen wichtigen Anteil an der Fähigkeit eines Ökosystems haben könnte, verschiedene Funktionen gleichzeitig zu erfüllen. Ökosysteme mit geringer Bodenbiodiversität könnten unter zukünftigen Klimabedingungen besonders anfällig sein.
„Etwa 60 Prozent aller Arten leben im Boden. Diese Bodenlebewesen sind nicht nur unglaublich vielfältig, sondern sie sind auch das funktionelle Rückgrat unserer Ökosysteme“, erklärt Prof. Dr. Nico Eisenhauer, Bodenökologe bei iDiv und an der UL und Senior-Autor der Studie. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass wir die Bodenbiodiversität mit zielgerichteten Managementstrategien erhalten können, und somit auch die verschiedenen Leistungen, die die Natur für uns erbringt.“
Die Studie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem ganzheitlichen und umfassenden Ansatz. Die Autorinnen und Autoren betonen, dass der gesellschaftliche Nutzen der Landwirtschaft aufgrund des Klimawandels, des Verlusts biologischer Vielfalt und zu hoher Mengen Agrochemikalien deutlich abnehmen könnte.
„Unsere Studie zeigt, dass Landwirte mit einer intensiven Bewirtschaftung die maximalen Erträge einfahren, die Bereitstellung von Ökosystemleistungen ist aber bei einer extensiven Bewirtschaftung am höchsten“, sagt Scherzinger. „Traditionell sind es nun einmal die Landwirte, die das Land bewirtschaften. Der gesellschaftliche Nutzen kann daher nur dann optimal sein, wenn ein System geschaffen wird, das Landwirten Anreize bietet und die Differenz zwischen den Einnahmen aus intensiver und extensiver Bewirtschaftung ausgleicht.“
Die Studie berücksichtigt jedoch nicht alle relevanten Aspekte, wie zum Beispiel die landschaftliche Vielfalt oder den Flächenbedarf pro Ertragseinheit. Das macht umfassende Schlussfolgerungen hinsichtlich des optimalen Bewirtschaftungstyps weiterhin schwierig.
„Zukünftige Forschung sollte sich auf die Bereitstellung von Ökosystemleistungen auf Landschaftsebene konzentrieren und auf die Rolle der landschaftlichen Heterogenität für ein optimales gesellschaftliches Ergebnis“, schlussfolgert Scherzinger.