Die Organbildung von Pflanzen passt sich mit Hilfe einer molekularen Uhr an äußere Bedingungen an: Die Freiburger Pflanzenbiologen Dr. Stefan Kircher und Prof. Dr. Peter Schopfer vom Institut für Biologie II der Albert-Ludwigs-Universität haben gezeigt, dass der Umweltfaktor Licht die Ausgestaltung des pflanzlichen Wurzelsystems durch Neubildung von Seitenwurzeln steuert. Licht moduliert die Frequenz von periodischen Genaktivierungspulsen in der Wurzelspitze mit Hilfe eines molekularen Schwingkreises, eines so genannten Oszillatorsystems. Dabei übernimmt das Pflanzenhormon Auxin die Rolle des Zeitgebers, beeinflusst also die Frequenz der Schwingungen. Ihre Studie veröffentlichten die Forschenden im Fachjournal „Development“.
Je mehr Licht einstrahlt, umso mehr Auxin bildet sich
Pflanzen bilden Seitenwurzeln, die in einem regelmäßig angeordneten Muster aus ihrer Hauptwurzel hervortreten und so ein Wurzelsystem bilden, welches zur Aufnahme von Wasser und Mineralstoffen aus dem Boden dient. Es war schon lange bekannt, dass das Pflanzenhormon Auxin maßgeblich an dieser Neubildung von Wurzelorganen beteiligt ist. Kontrovers diskutiert wird jedoch der molekulare Mechanismus, der für die Häufigkeit und Anordnung der Seitenwurzeln entlang der Hauptwurzel verantwortlich ist. Kircher und Schopfer haben nun nachgewiesen, dass hierbei dem Licht eine zentrale Rolle zukommt: Licht moduliert intensitätsabhängig sowohl die periodische Anlage des frühen Genaktivierungsmusters an den Stellen späterer Seitenwurzelentwicklung als auch die weiteren Wachstumsstadien bis hin zum Austritt der Seitenwurzel aus der Hauptwurzel. Basierend auf diesen Erkenntnissen, entwickelten die Freiburger Biologen in Übereinstimmung mit Daten anderer Forschungsgruppen ein molekulares Funktionsmodell einer von Auxin gesteuerten biologischen Uhr: Je mehr Licht einstrahlt, umso mehr Auxin bildet sich, umso schneller läuft die Uhr – und so erhöht sich Häufigkeit der Anlage von Seitenwurzeln pro Zeiteinheit. Nach Ansicht der Autoren repräsentiert dieses Modell einen neuartigen Typ einer biologischen Uhr mit modulierbarer Frequenz, das auch bei Entwicklungsprozessen jenseits des Pflanzenreichs Anwendung finden könnte.
Die Forschungsarbeit ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts „Die Entwicklung und Lichtregulation von Seitenwurzeln in Arabidopsis-Keimlingen“.