Die Korallenriffe vor der Küste der Republik Sudan gehören noch immer zu den unberührtesten Riffen im Roten Meer. Bereits seit 1980 verfolgen Forschende des Deutschen Meeresmuseums dort die Entwicklung von vier großen Test-Arealen im Meeres-Nationalpark Sanganeb. Aufgrund ihrer abgelegenen Position und des eingeschränkten Zugangs fand eine Überwachung des Zustands der Riffe bisher nur sporadisch statt. Die komplexen küstennahen Saumriffe, vorgelagerten Bänke und Untiefen der Dungonab-Bucht im Norden und des weiter südlich gelegenen Sanganeb-Atolls, etwa 23 km vor der Festlandküste, wurden 2016 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.
Ein internationales Team von Riffforschenden des Deutschen Meeresmuseums, der Universität Rostock und der Universität Wien haben die Flächen zuletzt im Jahr 2019 digital kartiert und ausgewertet. Der ungewöhnlich lange Untersuchungszeitraum erlaubt es, Auswirkungen der Meereserwärmung auf die Riffe zu beobachten.
„Während der Netto-Riffzuwachs von 1980 bis 1991 im Schnitt zwischen 2,27 und 2,72 Zentimeter jährlich betrug, lag er im Zeitraum von 1991 bis 2019 lediglich bei 0,28 bis 0,42 Zentimetern. Das heißt, das Wachstum des Riffes hat sich um rund 80 Prozent verringert und somit überraschend deutlich verlangsamt“, erklärt die Erstautorin der neuen Studie, Meeresbiologin Sarah Abdelhamid von der Universität Rostock.
Seit 1980 bekannte Einzelstöcke von Korallen belegen, dass dort seit über 40 Jahren allgemein beständige ökologische Bedingungen herrschen, etwa in Bezug auf Strömungen und chemische Prozesse. Zugleich deuten jedoch Verschiebungen in der Artenzusammensetzung auf einen Wandel der Korallengemeinschaften hin. Ursachen sind zum Beispiel die Korallenbleichen von 2010 und 2015. Der Nachwuchs empfindlicher Geweihkorallen (Acropora) wird dort von robusteren Katzenpfötchen-Korallen (Pocillopora) verdrängt.
„Infolge des Klimawandels kommen Warmwasserereignisse, die zu Korallenbleichen führen, immer häufiger vor. Riffgemeinschaften haben so immer weniger Zeit, sich zu regenerieren. Widerstandsfähigere Arten etablieren sich dann erfolgreicher. Das Bild, das wir heute von den Riffen im Roten Meer haben, ändert sich fortlaufend weiter, quasi vor unseren Augen“, verdeutlicht der Leiter der Untersuchungen Dr. Götz-Bodo Reinicke vom Deutschen Meeresmuseum.
Auch die allgemeine Entwicklung der Riffe verändert sich im Zusammenhang regionaler Einflüsse des Klimawandels. Zusammen mit sudanesischen Partnern und dem Sanganeb-Nationalpark-Team plant das Deutsche Meeresmuseum deshalb, die langfristige Beobachtung der Testareale in dem Schutzgebiet fortzusetzen. Die Erkenntnisse der Studie fließen in die internationale Wissenschaft und können als Grundlage für Entscheidungsträger dienen. Reinicke ist überzeugt:
„Maßnahmen gegen den Klimawandel sind eine politische Frage und müssen global organisiert werden. Studien wie unsere, die das Problem immer wieder sichtbar machen, können ein schnelles Handeln nachdrücklich befördern.“