Marc Fricke studierte Chemie an den Universitäten Bielefeld und München sowie am Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel. Im Anschluss an die Promotion nahm er eine Postdoc-Position bei der BASF am Institut de Science et d’Ingénierie Supramoléculaires (ISIS) im elsässischen Strasbourg an. In 2007 wechselte er in die BASF Polyurethanes GmbH in Lemförde als Laborleiter und übernahm die Projektleitung für die Entwicklung und Produktion des ersten Polyurethan-Aerogels, welches unter dem Produktnamen SLENTITE weltweit vermarktet wurde. Seit 2021 ist er Geschäftsführer der Osnabrücker BASF-Ausgründung aerogel-it GmbH, der es es gelungen ist, erstmalig Hochleistungsdämmstoffe aus rein natürlichen Rohstoffen zu entwickeln.
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Im Zuge der Energiekrise und des Klimawandels hat das Thema Dämmung, sowohl gegen Kälte als auch gegen Hitze, eine ganz neue Wichtigkeit erhalten. Wo stehen wir heute und haben wir die passenden Materialen?
Marc Fricke: Wissen zu den nötigen und möglichen Materialien ist zwar vorhanden, wir müssen diese aber auch wirklich in den Gebäuden zum Einsatz bringen, um die Energieeffizienz zu erhöhen und dabei möglichst wenig Ressourcen zu verbrauchen. Und ein Punkt der mir aufgrund der Lage auf dem Wohnungsmarkt besonders wichtig ist, diesen Einsatz der Materialien so zu gestalten, dass wir dabei keinen Wohnraum verschenken. Deshalb ist es so wichtig hier raumsparende und energieeffiziente Produkte einzusetzen.
In den siebziger Jahren, also quasi in den Kindertagen der Wärmedämmung wurden, gelbe Steinwolle-Matten eingesetzt, die schon damals keinen gesundheitsfördernden Eindruck machten. Ist dieses Material noch im Einsatz?
Ja, dieses Material ist noch im Einsatz. Der Grund dafür ist, dass es gesetzliche Regelungen gibt , die nur bestimmte Wärmedämmmaterialien, meist aus Brandschutzgründen, zulassen. Dadurch spielt die Mineralwolle immer noch eine große Rolle. Ein weiterer Grund dafür ist, dass ich ab einer gewissen Geschoßhöhe nur nicht-brennbare Materialien verwenden darf. Und diese Dämmpakete sind in den vergangenen Jahren in der Tat sogar noch dicker geworden, weil die Anforderungen bezüglich der Energieklassen gestiegen sind. Und hier zeigt sich deutlich, dass veraltete immer voluminösere Stoffe nicht der richtige Weg sind. Es muss mehr Innovation in diesen Bereich der Wärmedämmung
Wie schätzen Sie diesbezüglich die Naturfaser Hanf ein?
Es gibt ja in der Tat eine ganze Reihe von Dämmmaterialien auf Basis nachwachsender Rohstoffe, die allesamt eine bessere CO2 Bilanz haben, als kunststoffbasierte oder mineralische Produkte. Leider dämmen diese nicht so effektiv. Dies ist auch ein Grund dafür, dass sich diese Produkte am Markt noch nicht wirklich durchsetzen konnten. Anderseits haben die Produkte natürlich den Charme der hohen Nachhaltigkeit, weshalb eine verbesserte Dämmleistung so wichtig wäre.
Ein guter Wunsch, aber wie steht es mit der Umsetzung?
Wir haben es geschafft, Hochleistungsdämmstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu entwickeln, sogenannte Bioaerogele. Diese Aerogele sind extrem leichte Materialien und die besten Wärmedämmstoffe. Sie bestehen aus mikroskopisch kleinen Poren, die Wärme sehr schlecht übertragen und so einen Wärmeverlust stärker verhindern als herkömmliches Material. Allerdings gab es einen deutlichen Nachteil, denn Aerogele konnten bisher nur aus fossilen Rohstoffen in aufwändigen und teuren Produktions-Prozessen hergestellt werden.
Haben Sie etwas verändert?
Ja, wir nutzen dafür die Pflanzenrohstoffe Lignin und Zellulose, die in allen Pflanzen vorkommen und für die Stabilität von Bäumen sorgen. Beide sind zu 100 Prozent biologischen Ursprungs. Wir sind weltweit das einzige Unternehmen, das eine Aerogel-Dämmung auf rein biobasierten Rohstoffen in einem optimierten Verfahren herstellen kann. Und genau mit diesen Bioaerogelen kann ich nachhaltiger dämmen sowie Naturdämmstoffe wie z.B. Holzfasern, Stroh oder Hanf auf ein höheres Dämm-Niveau bringen. Zudem können Bioaerogele aus Lignin oder Zellulose wie Naturdämmstoffe recycelt bzw. wiederverwendet werden.
Ist dieses Produkt nur im Bauwesen einsetzbar und geht die Reise insgesamt hin?
Es gibt darüber hinaus noch viele andere Einsatzmöglichkeiten. So sind wir in den meisten Industrien unterwegs, in denen es um Energieeffizienzmaßnahmen geht. Etwa im Bereich der Kühlgeräte und Kühllogistik,. Unser Ziel ist es eine Aerogel-Produktion im industriellen Maßstab aufzubauen. Die weltweit größte Pilot-Produktion für Bioaerogele haben wir inzwischen an der Technischen Hochschule Hamburg erfolgreich in Betrieb genommen und zeigen dort, wie effizient Aerogele hergestellt werden können
Dann bleibt noch die Frage nach der medizinischen Bewertung.
Aufgrund unserer rein natürlichen, faserfreien Rohstoffbasis, ist von gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht auszugehen.