Große Teile des deutschen Waldes zeigten infolge der extremen Dürreperiode der letzten Jahre nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) eine Zunahme von Schädigungen. Allerdings gibt es kaum verlässliche Daten dazu, wie sich der Zustand der Wälder konkret auf der Fläche verändert. In einer Studie beschreibt ein vom UFZ koordiniertes Forschungsteam, wie sich Aussagen zum Waldzustand in Deutschland basierend auf Satellitendaten treffen lassen. Diese Informationen sind Grundlage für den neuen UFZ-Waldzustandsmonitor, der den Zustand von Waldflächen als Karten mit einer räumlichen Auflösung von 20 Metern darstellt.
Rund ein Drittel der Landesfläche Deutschlands und damit etwa 11 Millionen Hektar sind von Wald bedeckt. Wie sich diese Wälder verteilen und welche Baumarten dominieren, ist weitestgehend bekannt.
„Was bislang jedoch fehlt, sind konkretere Aussagen, wie es flächendeckend und regional spezifisch um den Zustand der Wälder bestellt ist und in welcher Dynamik sich dieser Zustand verändert“, sagt der UFZ-Fernerkundler Dr. Daniel Doktor.
Der UFZ-Waldzustandsmonitor soll nun diese Lücke schließen: „Wir haben einen Index entwickelt, mit dem wir die graduellen Zustandsveränderungen in deutschen Waldgebieten als saisonale und jährliche Karten abbilden können“, sagt er. Damit biete der Monitor im Unterschied zu anderen stichprobenartigen Erhebungen wie beispielsweise dem Waldzustandsbericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Informationen mit einer hohen räumlichen und saisonalen Auflösung. Der BMEL-Bericht basiert zwar auf sehr genauen forstlichen Daten, wird allerdings nur für etwa 400 solcher Waldflächen in einer Auflösung von 16 Kilometern bundesweit erhoben.
Für die Ableitung des Waldzustands nutzten die UFZ-Forscherinnen und -Forscher Sentinel 2-Daten der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA). „Das Sonnenlicht wird von jeder Baumart im Jahresverlauf anders reflektiert, was von den Satelliten gut erfasst werden kann. Dadurch lassen sich Vegetationseigenschaften wie zum Beispiel der Pigment- und Wassergehalt oder die Struktur des Kronendachs abbilden und in Werten darstellen“, sagt Dr. Maximilian Lange, Erstautor der Studie.
„Je mehr diese Werte von den durchschnittlichen Reflexionswerten abweichen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich möglicherweise um eine gestresste oder gestörte Vegetation handelt.“
Für die vier Hauptbaumarten Eiche (Stiel- und Trauben-Eiche kombiniert), Rot-Buche, Gemeine Fichte und Waldkiefer extrahierten die Forschenden für die Jahre 2016 bis 2022 repräsentative Zeitreihen gesunder Bestände. Diese nutzten sie als Referenz, um Waldzustandsanomalien zu erkennen. So konnten sie einen so genannten Waldzustandsanomalie-Index bestimmen.
Er sagt aus, wie stark der jeweilige Zustand vom Referenzwert abweicht – wie stark sich also der tatsächliche vom erwarteten Waldzustand unterscheidet. Dieser Index ist mit einer räumlichen Auflösung von 20 Metern für alle Waldflächen bundesweit verfügbar. Dennoch besteht weiterhin die Herausforderung, den Waldzustandsanomalie-Index ausführlicher zu kalibrieren, Unsicherheiten zu quantifizieren und mittelfristig zu minimieren.
Der Online-Auftritt des UFZ-Waldzustandsmonitors zeigt aber nicht nur den Waldzustand, sondern auch die Verteilung der vier Hauptbaumarten und die Phänologie der Bäume, wie zum Beispiel Blattentfaltung und Blattverfärbung. Zudem präsentiert er mehrere Vegetationsindizes, die anhand unterschiedlicher Reflexionsverhältnisse des einfallenden Lichts verschiedene Informationen zur Vegetation wiedergeben. Eine modellierte Verbreitung von insgesamt 41 Baumarten bis zum Jahr 2098 ist ebenfalls Bestandteil des Online-Auftritts. Der Modellierung liegen drei vom Weltklimarat IPCC definierte Klimaszenarien (RCP 2.6; RCP 4.5; RCP 8.5) zu Grunde.
Im Zentrum des UFZ-Waldzustandsmonitors steht jedoch der Zustand der Wälder, der durch unterschiedliche Farbtöne angezeigt wird. Werte über 0 (in verschiedenen Grüntönen dargestellt) geben an, dass sich zum Beispiel der Chlorophyll- und Wassergehalt verbessert oder der Belaubungsanteil erhöht, und sich damit der Waldzustand verbessert hat. Im Gegensatz dazu weisen Werte unter 0 (farblich von gelb bis dunkelviolett) auf eine Verschlechterung hin. Werte niedriger als -0,15 definieren schwere Waldschäden, die u.a. durch Windwurf, Feuer oder das Absterben durch Schädlingsbefall, etwa durch den Borkenkäfer, verursacht wurden.
So ist auf den Karten zum Beispiel zu erkennen, dass der Anteil geschädigter Waldfläche insbesondere in der Mitte Deutschlands deutlich zugenommen hat. Regionen wie etwa der Harz, der Thüringer Wald, das Sauerland oder die Sächsische Schweiz zeigen ab dem Jahr 2019 vermehrt Waldschäden. Laut des UFZ-Waldzustandsmonitors waren im Harz im Jahr 2022 52 Prozent des Waldes im Allgemeinen und insbesondere 76 Prozent der Nadelbäume schwer geschädigt. Im Jahr 2017 waren es lediglich 9 Prozent des Waldes und 8 Prozent der Nadelbäume.
„Hitze, Dürre und Schädlinge sowie deren Zusammenspiel beeinträchtigen die Wälder und führen zu Folgeschäden wie Sturmbruch und erhöhte Waldbrandgefahr“, nennt UFZ-Forscherin Anne Reichmuth Ursachen dafür.
Besonders groß sind die Schäden in den Wäldern der Mittelgebirgsregionen, in denen nach 1945 Fichten gepflanzt wurden. Doch auch bei Kiefern, Buchen und Eichen gibt es regional starke Ausfälle. Bei den Nadelbäumen ist die Zunahme von Massenvermehrungen von Schadinsekten ein wesentlicher Faktor für den schlechten Waldzustand. Bei Laubbäumen sind es vor allem Komplexkrankheiten, die das Immunsystem der Bäume und damit deren Abwehrkräfte schwächen.
Der UFZ-Waldzustandsmonitor belegt auch, wie unterschiedlich stark Regionen von klimatischen Extremereignissen betroffen sein können: Demnach hat sich zum Beispiel der Waldzustand in den Höhenregionen des Schwarzwalds und des Erzgebirges zwischen 2016 und 2022 nicht wesentlich verschlechtert. So ist die im Schwarzwald häufig vorkommende Weißtanne besser an den Klimawandel angepasst als die Gemeine Fichte.
Außerdem waren die Mitte und der Nordosten Deutschlands stärker von der Dürre betroffen. Das Erzgebirge war jedoch in den Höhenlagen weniger stark von der Dürre beeinträchtigt. „Der UFZ-Waldzustandsmonitor dient vor allem dem Wissenstransfer zu den Behörden, wie etwa den Landesforsten und den Nationalparkverwaltungen“, sagt Daniel Doktor. Mit den Karten lasse sich sehr gut veranschaulichen, welche dynamischen Veränderungen der Klimawandel im Wald mit sich bringt.
Der UFZ-Waldzustandsmonitor ist ein von der Helmholtz-Gemeinschaft finanziertes Projekt in der Arbeitsgruppe Landbedeckung & Dynamik am UFZ. Durch diese Arbeitsgruppe soll er regelmäßig aktualisiert werden. Die technische Entwicklung der Webapplikation wurde in der IT-Gruppe Forschungsdatenmanagement am UFZ umgesetzt.
Mehr zum Monitor ist hier zu finden: https://web.app.ufz.de/waldzustandsmonitor
Beispielkarten für Harz, Schwarzwald, Erzgebirge sowie die Nationalparke Eifel, Bayerischer Wald und Sächsische Schweiz stehen zum Download bereit unter: https://web.app.ufz.de/waldzustandsmonitor/de/faq#faq10