Die biologische Vielfalt lässt sich im offenen Ozean aufgrund seiner unzugänglichen Weite nur schwer beobachten und bewerten. Eine neue Strategie verfolgt nun das europäische Forschungsprojekt „Monitoring the Open-Ocean Biodiversity with Fishers“ (MOOBYF) und setzt dafür auf die am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) seit langem praktizierte Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung, die im Indischen Ozean von der Hochseefischerei lebt.
Dabei werden die Forschenden verankerte Flöße oder Fisch-Ansammlungs-Plattformen, sogenannte „Fish Aggregating Devices“ (FADs), lokaler Fischer nutzen, um das Vorkommen diverser pelagischer Fischarten zu erfassen. An dem Projekt, das im Rahmen des europäischen Programms BiodivERsA+ mit über einer Million Euro gefördert wird, sind neben dem ZMT sieben Forschungsinstitutionen aus sechs Ländern beteiligt.
Pelagische Ökosysteme, die Meeresorganismen und Umweltmerkmale des offenen Ozeans umfassen, gehören zu den größten Lebensräumen der Erde. Menschliche Aktivitäten und der Klimawandel setzen sie zunehmendem Stress aus. Zugleich spielen sie aber eine entscheidende Rolle für Menschen – etwa als Nahrungsquelle oder für die Klimaregulierung. Wie steht es vor diesem komplexen Hintergrund um den Zustand der pelagischen Arten? Das versucht das Forschungsprojekt MOOBYF im engen Austausch mit lokal arbeitenden Fischern im Indischen Ozean zu beantworten.
Künstliche Flöße als Beobachtungsposten
Im Indischen Ozean vor Indonesien, den Malediven oder dem französischen Übersee-Département Mayotte schwimmen tausende sogenannter „Fish Aggregating Devices“ (FADs) – zum Teil an Ankerleinen, die mehrere hundert Meter lang sein können. Diese Gerätschaften werden im offenen Ozean von Fischern ausgesetzt und gewartet.
„Die Fischer machen sich damit zunutze, dass rund 20 pelagische Hochseearten, darunter Thunfische, von diesen im Wasser treibenden Strukturen angezogen werden und sich in deren Nähe versammeln“, erläutert der Riffökologe Dr. Sebastian Ferse, der einen Teil des Projekts gemeinsam mit der Sozialwissenschaftlerin Dr. Annette Breckwoldt am ZMT koordiniert.
Dieses Aggregationsverhalten von Fischen rund um die künstlichen Flöße hilft aber nicht nur den Fischern, sondern auch den Forschenden. „Die Idee ist nun, in diesen drei Gebieten die FADs in enger Kooperation mit den Fischern zugleich als Monitoring-Plattformen für die Biodiversitätsforschung zu nutzen“, so Ferse. Die Beobachtungstechniken reichen dabei von Molekularökologie über Unterwasserakustik bis hin zu Unterwasservideos, unterstützt durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Artenbestimmung. „Dabei wollen wir die Ergebnisse unter den Projektpartnern austauschen und mit dem lokalen Wissen vergleichen“, sagt Ferse.
Kooperation und Wissensaustausch
Die Einbindung der lokalen Fischerei zielt darauf ab, das Biodiversitäts-Monitoring über den im Projekt zentral angelegten Citizen-Science-Ansatz gemeinsam zu gestalten und in einen ständigen Wissensaustausch zu treten. Dabei ist keineswegs nur der Dialog zwischen den Forschenden und den Fischern gemeint. „Auf den Malediven und in Indonesien bestehen kooperative Verbindungen zu den Fischern schon sehr lange“, erläutert Annette Breckwoldt. Das Projekt MOOBYF kann auf dieser vertrauensvollen Zusammenarbeit aufbauen und will Fischer transnational vernetzen und damit stärken.
„Für mehr nachhaltige Fischerei und den langfristigen Schutz der biologischen Vielfalt im offenen Ozean ist es zentral, dass die Stimmen der Fischer im Kontext lokaler Politik gehört und ihr Wissen ernst genommen wird“, so Breckwoldt.